Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
auffrischten, folgten sie dem Uferpfad, bis sie schließlich die Biegung der Moldau erreichten, an deren Ufer sich ein mächtiger hellgrauer Felsen erhob. Fast gleichzeitig schwangen sie sich aus den Sätteln und banden die Pferde an die noch unbelaubten Erlen, die das Ufer säumten. Die Sonne ließ den Kies am Wasser golden schimmern. Dicht am Wasser ragte ein Findling auf, gerade so, als habe sich der König an diesem Ort einen geheimen Thron errichten lassen. Die drei sahen sich an. Dann zogen sie lachend Stiefel und Strümpfe aus und rannten kreischend in das glasklare Wasser, das sich eisig um ihre Knöchel schloss. Die Jungen begannen mit spielerischen Ringkämpfen, während Margarethe lachend einmal den einen, dann den anderen anspornte oder mit Wasser bespritzte. Als sie sich endlich atemlos auf dem Felsen niederließen und ihre gefühllosen Zehen in die Sonne reckten, schien kein Tag seit dem letzten Sommer vergangen zu sein. Margarethe machte es sich zwischen ihren Freunden bequem und knuffte sie abwechselnd in die Rippen, wenn ihre Bemerkungen allzu frech wurden.
Plötzlich horchte Jan auf und legte den Finger auf die Lippen. »Still. Hört ihr das?«
Margarethe spitzte die Ohren, und schließlich vernahm auch sie das langgezogene »Hiäh, hiäh«. Sie schirmte die Augen gegen die Sonne ab und suchte am Himmel nach der vertrauten Silhouette des Falkenweibchens.
Albrecht stieß sie an. »Dort drüben«, flüsterte er, während er mit dem Kinn die Moldau abwärts deutete. Und tatsächlich, im Aufwind segelnd, ohne auch nur einen Flügel zu bewegen, näherte sich ein kleiner, eleganter Greifvogel. Minutenlang schien er hoch über der Moldau zu schweben. Dann kreiste er zweimal oberhalb des Felsens und ließ sich endlich auf jenem vertrauten Vorsprung nieder, an dem er bereits im vergangenen Jahr seinen Horst angelegt hatte.
»Es ist das Männchen«, stellte Jan fest. »Das Weibchen brütet bereits. Er bringt ihr seine Beute.«
»Dann sind sie früh dran in diesem Jahr«, stellte Margarethe fest.
»Der Winter endet ja auch zeitiger als gewöhnlich. Sonst haben wir in diesem Monat immer noch eine geschlossene Schneedecke.«
»Stimmt!«, gab Albrecht seinem Freund recht. »Der Winter war milder als sonst, aber nicht weniger unangenehm. Meine Güte, hatte mich der Katarrh diesmal.«
»Hast ihn dir dann ordentlich von der hübschen schwarzhaarigen Reiberin vom Leib bürsten lassen«, frotzelte Jan. »Möchte nicht wissen, wie viel Geld du zwischen den Brüsten der Badmägde gelassen hast.«
»Du musst grad reden. Als würdest du die Annehmlichkeiten dort nicht zu schätzen wissen, du alter Schwerenöter …«, meinte Albrecht gut gelaunt, unterbrach sich aber abrupt, als er Margarethes gerötetes Gesicht bemerkte. »Brauchst nicht gleich sonst was zu denken, Margarethchen«, versuchte er abzuwiegeln. »Der Jan ist ein ganz Braver. Der hat nur aufgepasst, dass mir keine Badhur ins Becken schlüpft.«
»Ja, ja, wer’s glaubt«, entgegnete die junge Frau scheinbar gelassen, während sie dagegen ankämpfte, nicht noch mehr zu erröten.
Jan sah es und meinte: »Entschuldige, ich glaub, wir sind die Anwesenheit von Damen nicht mehr gewohnt.« Er warf Albrecht einen vielsagenden Blick zu. »Vielleicht sollten wir zurückreiten. Es wird frisch.«
Hastig klaubten sie ihre Sachen zusammen und banden die Pferde los. Eine Weile ritten sie schweigend nebeneinander her, dann brach Margarethe die unangenehme Stille: »Habt ihr eigentlich auch schon davon gehört, dass der Zelivsky nach Prag kommen soll?«
»Der Prämonstratenser-Mönch?«, hakte Albrecht nach. »Der Ketzerlehrling?«
»Für mich war der Hus kein Ketzer«, erwiderte Jan mit Nachdruck. »Ein aufrechter Mann war er, und ein gläubiger Christ.«
»Nenn es, wie du willst, Jan. Für mich schürt man Aufruhr, wenn man dem Volke rät, den Pilgerstab gegen das Schwert zu tauschen.«
»Was hat das mit Ketzerei zu tun?«, fragte Margarethe, die das Gefühl hatte, dass ihre beiden Begleiter das Thema bereits ausführlich diskutiert hatten. »Diese Worte stammen doch von den Kreuzrittern.«
»Aber die gaben ihr Leben für die Befreiung Israels und der heiligen Stätten«, belehrte sie Albrecht. »Die Hussiten wollen die Weltordnung auf den Kopf stellen. Sie wollen, dass jedermann vom Kelche Christi trinkt, und Hostien im Volk verteilen. Das ist gottlos. Das ist Ketzerei. Jan Hus wurde zu Recht verbrannt.«
»Der Hus hat lediglich angemahnt, dass sich die
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