Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Priester wieder auf die wahren Tugenden besinnen sollen, statt Ablasshandel zu treiben«, widersprach Jan. »Hat Gott den Menschen nicht ein Zeichen gegeben, als er den Schwarzen Tod über sie brachte? Vielleicht ist die Apokalypse wirklich nah? Wir sollten unser Tun überdenken, bevor es zu spät ist.«
Albrecht winkte ab. »Siechtum und Seuchen hat es immer schon gegeben. Wir Wittelsbacher haben stets vor den ungesunden Entwicklungen in den Städten gewarnt. Und was das Übrige betrifft: Es gebe jeder, was er schuldig ist, seinem König und Gott, unserem allmächtigen Herrn!«
»Dagegen haben doch auch die Hussiten nichts. Sie sagen bloß, dass der Ablasshandel Unsinn ist, weil nur Gott die Sünden erlassen kann.«
»Wie wär’s, wenn wir uns selbst vom hussitischen Anliegen ein Bild machen?«, versuchte Margarethe zu schlichten. Die beiden Hitzköpfe sahen sie mit großen Augen an. »Ich meine, wir könnten ja hingehen und uns eine Predigt anhören?«
Jan runzelte die Stirn. »Was du dir immer ausdenkst, Margarethe. Der König gestattet uns ein solches Vorhaben nie und nimmer.«
Albrecht grinste. »Hat uns das je von irgendetwas abgehalten?«
»Aber der Besuch einer Hussitenpredigt? Wenn man uns dabei erwischt …«
»… bin ich immer noch der Neffe der Königin. Keiner wird es wagen, Hand an uns zu legen.«
»Dann ist es also ausgemacht?«, fragte Margarethe. Ein weiteres Abenteuer mit Albrecht stand ihr bevor. Wie aufregend das war. Und so bald schon. Die Tristesse des Winters war wie weggeblasen.
Albrecht nickte entschlossen. »Wir gehen dahin, und ihr werdet sehen, dass ich recht habe. Wir brauchen bloß noch einen guten Plan, wie wir das anstellen sollen. Den überlegst du dir, Jan.«
»Und eine gute Verkleidung«, ergänzte Margarethe. »Um die kümmere ich mich!«
Die Sonne stand bereits tief am Horizont und tauchte den Hradschin mit der alten Prager Burg in glutrotes Licht. Margarethe bedauerte es stets, nicht dort oben, hoch über der Moldau, wohnen zu können, aber König Wenzel hatte schon vor Jahren einige Häuser an der Altstadtmauer für sich und die Königin erworben und eine neue Residenz errichten lassen. Dort fühlte er sich wohler, auch weil das neue Haus mehr Komfort und wärmere Kamine bot.
Margarethe dagegen, aufgewachsen in einer Burg auf dem Lande, fand es eng in der Stadt. All die Menschen und dazugehörigen Tiere wurden in die Stadtmauern gezwängt, sodass es dort stets wie in einem Hühnerstall war. Ständig musste man aufpassen, nicht irgendjemanden anzurempeln oder selbst beiseitegestoßen zu werden. Oft hatte Margarethe den Eindruck, man würde sich gegenseitig die Luft zum Atmen nehmen. Und heute, nach diesem befreienden Ausflug, war das Gefühl besonders stark. Wie gerne wäre sie mit den jungen Rittern noch in den Wäldern geblieben. Margarethe wusste, den beiden ging es nicht viel anders. Schweren Herzens beobachtete sie, wie sich die Tore des Stadtpalastes hinter ihnen schlossen.
Wehmütig hielt sie auf den Wohntrakt der Hofdamen zu, während ihre Gedanken noch um den Falkenfelsen kreisten. So vor sich hin träumend prallte sie mit Katerina zusammen, die wichtigtuerisch den halben Gang für sich beanspruchte.
»Oh, tut mir leid«, entschuldigte sich Margarethe und hasste sich im selben Augenblick dafür. Sie hatte nicht weniger das Recht, hier entlangzugehen wie jeder andere.
»Pass doch auf«, schimpfte die Wettinerin, wobei sie angewidert die Nase rümpfte. »Du stinkst wie ein Rossknecht. Hast du dich etwa mit deinem Albrecht im Stall gewälzt? Zutrauen würde ich’s dir, so wie du ihn anbalzt.«
»Das stimmt doch gar nicht«, widersprach Margarethe heftig.
»Da müsste man schon blind sein, um das nicht zu bemerken. Aber mach dir keine falschen Hoffnungen. Den kriegst du nicht, selbst wenn du dich schwängern lässt. Das ist ein Wittelsbacher. Für so einen reicht deine Abstammung nicht.«
Margarethe stieg die Schamesröte ins Gesicht. Sie hob die Hand und hielt Katerina den gestreckten Zeigefinger entgegen. »Also erstens hatte ich die Erlaubnis der Königin zu diesem Ausflug, und zweitens würde sich Albrecht von Wittelsbach niemals einer Frau gegenüber unsittlich benehmen. Er ist ein Ehrenmann.«
Katerina reckte hochmütig das Kinn, wich aber dennoch vor Margarethes Zeigefinger zurück. »Phh«, gab sie mit wissender Miene zurück. »Bild dir bloß nichts ein. Der Albrecht kühlt sich schon sein Mütchen.«
»Was weißt du denn? Ich kenne ihn gewiss
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