Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
einem erstaunlich satten Grün war, wie das Summen eines riesigen Bienenschwarms durch die offenen Fenster drang.
Sie waren freundlich aufgenommen worden, wenngleich ihr zahlreiches Erscheinen die Planungen des mürrischen Burgpflegers ganz offensichtlich vollkommen durcheinanderbrachte. Er überließ – wenn auch ein wenig widerstrebend – seine eigenen Räumlichkeiten Margarethe und brachte Margot in einer komfortablen Kammer unter. Sepi und die Seinen mussten mit einfacheren Räumlichkeiten Vorlieb nehmen, aber nach den Entbehrungen der langen Reise machte niemand ein langes Gesicht. Gleich nach ihrer Ankunft war ein Bote nach München geschickt worden, um Albrecht von ihrem Eintreffen zu unterrichten. Aufgeregt hatte Margarethe immer wieder aus dem Fenster gespäht, während sie fahrig all jene Dinge veranlasste, die zu erledigen waren, wenn man seinen Hausstand neu einrichtete. Es war später Nachmittag geworden, bis Margarethe Hufgeklapper auf dem Burghof hörte. Obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, die Würde einer ›gestandenen Hofdame‹ zu bewahren, war sie dann doch wie ein Kind die Treppe herunter und auf den Hof hinaus gestürmt. Ihre Wangen hatten geglüht, und ihr Herz hatte vor Vorfreude bis zum Halse geklopft. Dann hatte sie in Albrechts Augen gesehen, die strahlten, als sein Blick sie streifte. Kein Zweifel. Er war überglücklich, dass sie nach all den Jahren endlich wieder vereint waren. Es fiel auch ihm sichtlich schwer, seine Gefühle in Zaum und Würde zu behalten, wie man es von einem angehenden Herzog erwartete.
An Albrechts Seite war Jan geritten, blond und nachdenklich wie eh und je. Er war ein ansehnlicher Ritter geworden: stark im Körper wie auch im Geist. Margarethe fand es wirklich sonderbar, dass er sich noch keine Frau genommen hatte. Die Mädchen müssten ihm eigentlich scharenweise hinterherlaufen. Doch kaum waren die Männer abgesessen, um Margarethe entgegenzutreten, da schien er sich wieder in jenen Jungen zu verwandeln, der ihr einst einen Strauß Schneeglöckchen zum sechzehnten Geburtstag überreicht hatte. Ein wenig unsicher trat er von einem Fuß auf den anderen, während Albrecht Margarethe die Hände entgegenstreckte. Noch am selben Abend ließ der Herzogssohn ein großes Fest ausrichten.
Nun saß Margarethe zwischen ihren beiden Freunden und zum ersten Mal in ihrem Leben an einem mit Leinen gedeckten Tisch. Eigentlich hätte sie rundum glücklich sein müssen: Ihr Traum, mit Albrecht wieder vereint zu sein, war in Erfüllung gegangen, und doch trübte der Gedanke an das Schicksal des Vogts von Weida ihre Freude. Dann aber schob sie die Entscheidung beiseite. Später würde noch genug Zeit sein, sich mit Albrecht zu beratschlagen.
Während die kleine Gesellschaft bester Laune zu sein schien und den Herzogssohn und seine Gefährten immer wieder aufforderten, von ihren Abenteuern mit den Ingolstädtern zu berichten, wurde es Margarethe eng ums Herz. Sie sah Bekümmerung in Albrechts und Sorge in Jans Augen. Ohne Zweifel standen die Dinge in München nicht zum Besten. Zum ersten Mal war ihr tatsächlich bewusst, dass sie in ein Land voller Unruhen gereist war. Zudem schien Albrecht ungewöhnlich zurückhaltend, wenn es um den Krieg ging. Er lächelte zwar höflich, doch überließ er das Reden Jan.
Margot fühlte sich sichtlich unwohl zwischen all den fremden Menschen und zog sich früh zurück. Margarethe brachte sie in ihre Gemächer, überließ sie dort Trines Fürsorge, um an die Tafel zurückzukehren. Allerdings waren es weniger die Gespräche der Ritter, die sie in die große Halle zurückzogen, sondern die Hoffnung, dass sich die anderen demnächst zurückziehen und die drei Freunde allein sein würden. Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Doch schließlich war der Etikette Genüge getan, und man durfte sich zurückziehen. Die Türen zu Albrechts Privatgemächern schlossen sich hinter den drei Freunden. Margarethe machte es sich auf einem Sofa bequem und rieb sich die brennenden Füße. Sie war die engen Schuhe bei Hof nicht mehr gewohnt.
Der Herzogssohn warf ihr einen amüsierten Blick zu, hob den Becher und prostete ihr zu. »Auf die schönste und tapferste Frau, die ich kenne«, sagte der Wittelsbacher. Seine Augen bekamen einen eigentümlichen Glanz, während er die Rothaarige anlächelte.
Jetzt, dachte Margarethe. Erzähl ihm von dem Gespräch mit Sepi und der Sache mit dem Vogt. Doch sie wollte die gute Stimmung nicht verderben, also
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