Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
können, doch dazu knurrte ihr Magen zu sehr. Suchend sah sich Margarethe nach ihren Kleidern um. Sie waren verschwunden. Stattdessen lag ein neues fliederfarbenes Gewand mit aufwendiger Perlenstickerei auf der Kommode. Staunend starrte Margarethe es an. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie so etwas Kostbares getragen.
Für einen Moment zögerte sie, nach Trine zu läuten. Was ihre Zofe wohl denken würde, wenn sie sie hier in Albrechts Bett vorfand? »Närrin!«, tadelte sie sich selbst. Niemand wusste besser als Trine, was Margarethe für Albrecht empfand, und seit gestern Nacht gab es keinen Zweifel mehr daran, dass er ebenso fühlte. Energisch griff sie nach dem Klingelzug.
Augenblicklich erschien die Zofe, die vor der Tür gewartet haben musste.
»Guten Morgen«, grüßte Margarethe verlegen.
»Guten Morgen, Herrin«, entgegnete Trine fröhlich.
Margarethe gähnte und reckte sich. »Ich hoffe, du hast ebenso gut geschlafen wie ich.«
»Na, ein wenig mehr ist’s schon gewesen«, neckte die Zofe und streifte Margarethe ein Hemd über.
»Albrecht und ich hatten uns viel zu erzählen.«
»Soso.« Trine lächelte vielsagend.
Margarethe errötete. »Und zu viel Wein habe ich auch getrunken«, plapperte sie und ärgerte sich im nächsten Moment darüber. Sie rechtfertigte sich, und das hatte sie nicht nötig.
»Dann habt Ihr ja dem Herrn Burgkaplan demnächst einiges zu beichten«, scherzte Trine frech und half ihrer Herrin aus dem Bett.
Ein übler Stich fuhr Margarethe in den Unterleib, und sie verzog das Gesicht.
»Ich könnte Euch ein Bad bereiten lassen, das lindert die … Kopfschmerzen«, schlug Trine vor.
Margarethe sah sie einen Moment lang durchdringend an. Dann lachte sie auf.
»Mach du nur deine Witze.«
Trine atmete tief durch und lächelte nun auch. »Ich lass dann mal einen Zuber füllen und die Badmagd rufen.«
»Ja danke, aber vorher sag mir, wie geht es Margot?«
»Das Fräulein Margot wurde vorhin vom Herrn Sepi in den Garten ausgeführt.«
»Tatsächlich?«, fragte Margarethe verwundert. »Und sie ist mitgegangen? Das könnte ein gutes Zeichen sein. Er gibt sich ja wirklich viel Mühe, Margot aufzuheitern, unser Herr Sepi.«
»Er ist ein ausgesprochen netter Mann. Heute Morgen brachte er einen Strauß Herbstastern und bestand darauf, dem Fräulein Margot zu zeigen, wo im Garten sie wachsen. Wenn Ihr mir erlaubt, das zu sagen, der würde gut zu ihr passen. Herr Sepi ist immer lustig, und das steckt an.«
»Na, dann sehen wir einmal, was aus den beiden wird.«
Hans von Sachsenheim stand mit versteinertem Gesicht am Fenster seines Arbeitszimmers. Gerade hatte er den Boten entlohnt, der von einem seiner vielen Informanten im Reich zu ihm geschickt worden war. Der Hofmeister ballte die Fäuste. Wenigstens wusste er nun, wohin Bischishausen seine Tochter gebracht hatte. Der Mann hatte ihm einen ordentlichen Strich durch die Rechnung gemacht. Statt voller Verzweiflung oder doch wenigstens wutentbrannt auf einer Heirat zu bestehen, hatte der alte Truchsess Margot einfach fortschaffen lassen, und natürlich war ihm wieder einmal diese rothaarige Hexe zu Hilfe gekommen. Sachsenheim verzog spöttisch den Mund. Bischishausen und seine Helfershelferin Margarethe von Waldeck glaubten tatsächlich, sie könnten die Pläne eines Sachsenheim durchkreuzen. Der Hofmeister machte eine abfällige Handbewegung. Lachhaft!, dachte er nur. Glauben die wirklich, ich ließe mir das Mädchen und das Erbe der Bischishausen so einfach entgehen?
Inzwischen hatte er sich einen neuen Plan zurechtgelegt. Er würde nach München fahren, Margot holen und heimlich fortschaffen. Dann würde er das Mädchen, das seinen Sohn unter dem Herzen trug, heiraten – wie es einem Mann von Ehre gebührte. Offiziell würde er es so darstellen, dass Margot sich zu ihm geflüchtet hätte. Allerdings war ihm klar, dass er einen Verbündeten brauchen würde, denn der rothaarige Zerberus wachte sicher mit allen Sinnen über seinen Schützling.
Nach langem Nachdenken war Sachsenheim eine teuflische Idee gekommen: Margarethe von Waldeck hatte einen zu allem entschlossenen Feind. Der würde Sachsenheim liebend gern helfen, sie aus dem Weg zu räumen. Und der Rest würde ein Kinderspiel sein.
K APITEL 3
Es war Altweibersommer und einer jener ungewöhnlich klaren Tage. Die Spitzen der Bäume begannen gerade erst, sich golden zu färben, die Luft besaß jedoch schon wieder jene Reinheit des Herbstes, die einen erfrischt
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