Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
berichtete ihr, dass er der Eremit der Klause sei und diesen tapferen Männern nun schon im zweiten Winter Quartier böte. Dann forderte er Trine auf zu erzählen, wie es ihr ergangen war.
Die Ausführungen der Zofe endeten mit Margarethes Entführung. Von draußen hörte man die Männer klatschen. Ganz offensichtlich war der Kampf beendet.
»Dann verdankst du dieser Frau wirklich viel.«
»Alles. Mein Leben und dass es mir möglich war, Gretchen in Sicherheit aufzuziehen. Sie hat lesen und schreiben gelernt, weißt du, und sich zu einem guten Menschen entwickelt. Ohne Frau Margarethe wäre sie auf der Straße groß geworden. Ich wünschte, ich könnte etwas für ihre Rettung tun. Wenn ich bloß wüsste, wo genau sie ist und wie man ungesehen dorthin kommt. Ich würde sie eigenhändig befreien.«
Der Eremit sah sie ernst an. »Das würdest du tun? Aber du bist immer schon ein tapferes Mädchen gewesen, und einen klugen Kopf hast du auch.«
»Doch der nützt mir jetzt nichts.«
»Warte ab. Ich werde dir helfen, denn ich weiß, wo du zu suchen hast. Unser ›Nachbar‹ ist ein Plackerer, und er hält eine Frau gefangen, auf die deine Beschreibung passt. Einen Weg in seine Burg kann ich dir zeigen. Ich benutze ihn selbst manchmal.«
»Das würdest du tun?«
»Gewiss, aber sei gewarnt: Der Plackerer ist ein hartherziger Mann, der Gottes Gebote nicht beachtet. Wenn er dich erwischt, wird er keine Gnade kennen.« Er schaute zum Himmel, wo die grauen Wolken langsam aufbrachen und sich leuchtende Sterne zeigten. »Noch vor Mitternacht könnten wir dort sein, wenn wir gleich aufbrechen.«
Trine nickte. »Ich sage dem Herrn Sedlic Bescheid.«
»Nein. Nur wir beide, denn du musst wissen, dass man Thomek nicht trauen kann. Der Plackerer bot ihm viel Geld, wenn er ihm einen Ritter ausliefern würde. Einen Ritter mit Namen Jan Sedlic.«
Die Augen der Zofe huschten zu den Kämpfenden hinüber. Der Eremit nickte stumm. »Der Plackerer ist ganz versessen auf diesen Mann.«
»Wenn er aber heimlich mitkommt, würde man es nicht bemerken.«
Sie bekam ein Kopfschütteln zur Antwort. »Thomek schon.«
»Aber er scheint doch mit dem Herrn Sepi gut befreundet zu sein?«
»Thomek vertritt ausschließlich seine eigenen Interessen, und so ein stattliches Sümmchen käme ihm gerade recht.«
»Gut, dann gehe ich eben allein.« Trine war sich bewusst, dass sie ihren Mut vielleicht bitter bereuen würde. Trotzdem schritt sie mutig voran. Sie vertraute Ludger, genau wie Jan Hus es einst getan hatte. Dass sie den früheren Schreiber ihres geliebten Mannes ausgerechnet hier traf, musste ein gutes Zeichen sein. Den ganzen Weg über frischten sie alte Erinnerungen auf.
Als Ludger schließlich auf einen gewaltigen Schatten in der Dunkelheit zeigte, kam es der Zofe so vor, als wären sie gerade erst aufgebrochen. Finster erhob sich die Burg über ihnen. Der Plan war einfach. Trine wollte sich Zutritt verschaffen und ihre Herrin befreien. Ludger hatte ihr eine genaue Beschreibung gegeben, wo sie zu suchen hatte. Er war mehrmals dort gewesen, wenn ein »Gast« erkrankt war oder um geistlichen Beistand gebeten hatte.
Er führte sie um das Gebäude herum und dann wieder einige hundert Schritte weit weg. »Jede gute Burg hat einen geheimen Fluchtweg«, flüsterte er. »Dumm nur, wenn er nicht nur den eigenen Leuten bekannt ist.« Er hielt auf ein Gebüsch zu, bog es auseinander und deutete auf eine Felsspalte dahinter. »Ich bleib hier und halte Wache, damit dir niemand den Fluchtweg abschneidet. Du gehst hinein und holst deine Herrin. Denk bitte daran, am Ende des Tunnels befindet sich eine Tür und in dem Gang dahinter könnte eine Wache stehen. Gib also gut Acht und horche genau, bevor du den Riegel bewegst.«
»Wer für Wahrheit und Gerechtigkeit eintritt, dem kann Gabriels Flammenschwert nichts anhaben«, verabschiedete sie sich von Ludger und benutzte damit dieselben Worte wie ihr geliebter Hus damals bei ihr.
Ludger bekam feuchte Augen und nickte. Trine schlang sich ihr langes schwarzes Wolltuch um, das sie in der Finsternis gut verbergen würde. Unwillkürlich tastete sie nach dem schmalen Küchenmesser, das sie seit Margarethes Verschwinden immer bei sich trug. Sie zog den Kopf ein, um sich nicht zu stoßen, und schlüpfte gerade in den Gang, als Ludger hinter ihr her drängte. »Pst, da ist jemand«, flüsterte er fast unhörbar.
Seite an Seite spähten sie durch das dichte Geäst. Jetzt hörte auch Trine das Knacken von
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