Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Doch niemand war zu sehen, schon gar nicht ihre Herrin. Das konnte doch nicht sein? All die Mühe umsonst? Zweifelnd trat Trine ins Zimmer. Plötzlich wurde sie von hinten gepackt, und jemand riss grob an ihrem Haar. Trine stieß einen gurgelnden Laut aus und versuchte, sich zu befreien. Sie erwischte einen Ärmel. Er war aus weichem Leinen. Frauenkleidung. Dann spürte sie etwas Scharfes an ihrem Hals. »Nein, Herrin, ich komme, um Euch zu befreien«, stieß sie entsetzt aus.
Sie wurde losgelassen. »Trine?«, keuchte eine Stimme, die fremd und verzweifelt klang. »Bist du es wirklich?«
Im nächsten Moment lagen sich die Frauen zitternd in den Armen, und es fiel ihnen schwer, die Fassung zu bewahren.
»Wie hast du mich gefunden?«, wollte Margarethe wissen.
»Es war nicht leicht. Aber wir haben jetzt keine Zeit, darüber zu sprechen. Der Vogt kann jeden Moment zurückkommen.« Energisch schob die Zofe ihre Herrin in Richtung Tür.
Doch die bewegte sich kaum. »Du weißt von Weida?«
Trine blieb nur kurz stehen. »Ja, ich hab ihn gesehen, vor der Burg. Wir müssen weg. Sofort.«
Margarethe zögerte noch immer. »Aber wie? Steht Jan draußen mit den Pferden?«
»Nein, wir werden ein ganzes Stück zu Fuß gehen müssen, aber ich kann Euch helfen, falls Ihr Euch zu schwach fühlt.«
»Unberitten werden wir verloren sein. Weida ist zu allem entschlossen, und der Plackerer, der in dieser Burg herrscht, kennt jeden Fußbreit in der Gegend, während wir fremd sind.«
»Wir werden es schaffen, Herrin.«
»Wenn sie dich erwischen, werden sie dich umbringen oder dir Schlimmeres antun. Das kann ich nicht verantworten.«
»Keine Sorge, ich hab Erfahrung im Weglaufen. Ich flehe Euch an, jetzt mit mir zu kommen, sonst ist die Gelegenheit verstrichen, und eine andere wird’s nicht geben.«
Endlich schien sich Margarethe zu besinnen. Ein Teil ihrer alten Entschlossenheit kehrte zurück. Sie huschte hinter Trine her aus der Kammer und hinaus auf den Flur. Vorsichtig stiegen sie die Stufen hinab. Trine nahm ihre Herrin am Arm, da diese schwankte. Sie sah überhaupt aus wie ein Gespenst, aber nach dem Grund konnte die Zofe später fragen. Jetzt mussten sie erst einmal aus der Burg herauskommen.
Sie schafften es langsam, aber ohne Zwischenfälle bis in das Stockwerk, in dem Weida und der Plackerer hausten. Trine lauschte. Aus dem Zimmer des Raubritters drangen Stimmen. Schritte waren zu hören. Erschrocken packte die Zofe ihre Herrin am Ärmel und zerrte sie in Weidas Kammer. Ein frisches Feuer prasselte im Kamin. Trine sah Margarethe an, die abgemagert war und noch dazu ein blaues Auge hatte. Gut behandelt worden war sie demnach nicht. Leise schloss die Zofe die Tür. Schritte hallten über den Flur. Der Plackerer ging nach unten, wo auch sie hin mussten. Wie ärgerlich! Eine weitere Tür fiel ins Schloss. Der Burgherr schien auf den Hof gegangen zu sein. Es folgte ein lauter Wortwechsel. Wer konnte dort unten sein? Der Weida vielleicht?
Plötzlich hörten sie, wie schwere Stiefel auf den Stufen hallten. Schritt für Schritt kamen sie höher. Trine und Margarethe starrten sich an. Sie konnten nirgendwohin flüchten, und zum Verstecken war auch keine Zeit mehr. Die Zofe legte sich den Zeigefinger auf die Lippen und deutete auf die Ecke, in der Weida seine Waffen abgelegt hatte. Margarethe nickte. Um keinen Preis der Welt würde sie in dieser Burg bleiben. Sie würde diesen Ort verlassen, entweder auf eigenen Füßen oder als Tote. So empfahl sie ihre Seele der Jungfrau Maria, griff mit beiden Händen nach dem Schwert und hob es hoch über ihren Kopf. Trine zog ihr Messer.
Die Frauen verbargen sich rechts und links neben der Tür, sodass sie für einen Eindringling nicht sofort zu sehen waren. Stufe für Stufe kamen die Schritte näher. Sie gehörten zwei Männern, vielleicht auch drei. Schon war der pfeifende Atem des Vogtes zu hören. Margarethes Arme begannen zu schmerzen. Das Schwert war aus massivem Eisen und schwerer, als sie geglaubt hatte. Kalter Schweiß rann ihr den Rücken hinunter.
»Und Ihr sagt, ein Kaufmann ist gekommen, um Margarethe auszulösen?«, war Weidas ungläubige Stimme zu hören. »Es ist ganz sicher nicht der Sedlic?«
»So wahr ich hier stehe«, bestätigte der Plackerer.
»Vielleicht hat er sich verkleidet?«, mutmaßte der Vogtländer. »Aber ich würd ihn erkennen, sobald ich ihn sehe.«
»Der Mann stammt aus Plauen und ist den Hussiten gut bekannt. Ganz sicher ist es nicht der Sedlic,
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