Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
schmalen Tunnel zu schrumpfen, der vor ihren Augen verschwamm. Sie schwankte. Trine packte sie, stützte sie und zog sie weiter. Margarethe hörte nur noch das Pochen ihres Herzens, das in ihren Ohren zu einem Donnergrollen anschwoll.
»Ich kann nicht mehr!«, keuchte sie.
Trine nickte stumm. Auch ihr war klar, dass ihre Flucht nicht mehr lange gut ging. Mit dem Mut der Verzweiflung packte sie ihr Messer und stellte sich dem Vogt.
»Sie könnte überall sein«, stellte Sepi zum hundertsten Mal fest. »Vielleicht hat sie auch einfach Angst bekommen und ist fortgelaufen.«
»Niemals. Ich kenne Trine«, widersprach ihm Jan. »Eine treuere Seele gibt es nicht. Ich sage dir, sie hat diesen Mönch überredet, sie zur Burg zu bringen, und deswegen müssen wir jetzt auch dorthin.«
»Es ist mitten in der Nacht. Die werden die Zugbrücke hochgezogen, das Tor dicht gemacht und Wachen aufgestellt haben. Was soll Trine da erreichen können?«
»Keine Ahnung. Vielleicht kennt der Mönch einen geheimen Zugang. Oder er verschafft ihr ganz offiziell Einlass.«
»Aber ganz allein dorthin zu reiten ist doch Wahnsinn. Was könntet Ihr schon ausrichten?«
»Dasselbe wie morgen früh.« Er schaute zu Thomek herüber, der gerade ein kleines, zähes Pony bestieg.
Als der Riese im Sattel saß, berührten seine Füße fast den Boden. Das Pony schnaubte missmutig. Nun trieb er das Tier mit den Fersen an. Der Braune schnaubte kurz und schüttelte den Kopf, als ihn von den Bäumen rieselnde Tautropfen in den Ohren kitzelten.
Jan hob die Hand zum Abschied. »Wenn ich morgen früh nicht zurück bin, reitest du nach Passau und holst die Truppen des Fürstbischofs, und wenn die nicht wollen, verdinge Söldner. Wir werden Margarethe und Margot da rausholen und dieses Plackerernest ausräuchern.«
»Ach, da fällt mir etwas ein«, mischte sich Thomek ein. »Meine Leute haben erfahren, dass da noch von einer zweiten Frau die Rede war, die Tochter irgendeines Truchsessen. Anscheinend soll sie gemeinsam mit der Rothaarigen auf eine Burg im Vogtland gebracht werden.«
»Was sagst du da, Thomek?« Sepi horchte auf.
»Das wird doch nicht Margot sein«, flüsterte Jan entsetzt. »Aber warum auch sie?«
»Das mag der Himmel wissen. Wo ist sie jetzt?«
»In jenem Gasthaus.«
»Dann muss auch sie befreit werden«, sagte Jan und nickte Sepi zu.
Heinrich von Weida hatte das Gefühl, Blut spucken zu müssen, so sehr strengte ihn das Laufen in der eisigen Kälte an. Trotzdem zwang er sich vorwärts. Er hätte um Hilfe rufen können, und gewiss wären der Plackerer oder seine Leute auch herbeigeeilt. Doch der Vogt wusste, dass der Burgherr ein gutes Geschäft gewittert hatte und sich von ihm abwenden würde, sobald man ihm genug Gold auf den Tisch zählte. Deshalb hatte er vor, Margarethe nicht zur Burg zurückzubringen, sondern vorerst in jenen geheimen Gang zu schaffen, den er entdeckt hatte. Da er seine Abreise zum Gasthof für morgen bekannt gegeben hatte, würde niemand Verdacht schöpfen, wenn er die Burg verließ. Mit ein wenig Glück konnte er Margarethe dann ungesehen mitnehmen. Noch war es nicht so weit, doch Weida war optimistisch. Margarethe war keine gute Läuferin, genauso wenig wie ihre Helferin, und tatsächlich blieben die beiden plötzlich stehen. Margarethe fiel ins Laub, die Zofe drehte sich zu ihm um.
Mit blitzenden Augen blieb auch Weida stehen. »Hab ich euch endlich«, sagte er triumphierend. In diesem Moment machte die Zofe einen Satz auf ihn zu. Zu spät entdeckte er das Messer in ihrer Hand. Er konnte sich nur noch zur Seite drehen, woraufhin ihm die Klinge in den Arm fuhr. Weida schrie auf vor Schmerz. Die Zofe holte erneut aus, doch diesmal war er vorbereitet. Er schlug ihre Hand beiseite und verpasste ihr einen Fausthieb mitten ins Gesicht. Sie wankte. Wütend holte der Ritter ein zweites Mal aus und erwischte sie diesmal an der Schläfe. Leblos stürzte Trine zu Boden. Der Vogt grinste: Die würde ihm so schnell nicht mehr in die Quere kommen. Jetzt konnte er sich um Margarethe kümmern. Die hatte sich wieder aufgerafft. Mit zwei Schritten war Weida bei ihr und packte sie an den Haaren.
»Hilfe!«, schrie Margarethe.
Sofort hielt er ihr den Mund zu. Als sie ihm in die Hand biss und ihn schließlich sogar bespuckte, verlor er die Beherrschung. Obwohl er sich geschworen hatte, es nicht mehr zu tun, schlug er sie mit der Faust hart ins Gesicht. Sie musste endlich lernen zu gehorchen! Margarethe ging sofort in die
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