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Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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Albrecht nutzte jede noch so kleine Lücke in der Menge, und Margarethe hielt sich dicht hinter ihm, bis sie endlich das Tor erreichten.
    Keine Sekunde zu früh, wie sie feststellen mussten. Margarethe hörte hinter sich Schreie und spähte kurz über ihre Schulter. Da sah sie Reiter, die scheinbar aus dem Nichts auftauchten und die Menschen wie Vieh vor sich hertrieben. Allein der Anblick der Reiter ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Schwarz waren sie gekleidet, und ihre Pferde gebärdeten sich wie Ausgeburten der Hölle. Was ihren Weg kreuzte, wurde in den Staub getrampelt. Die Ritter mit den verhüllten Gesichtern hieben mit Stöcken auf die Menschen ein und versuchten, sie auseinanderzutreiben. Geifernde Hunde bissen ihnen den Weg frei. Wo eben noch Jubel geherrscht hatte, erhob sich ein ohrenbetäubender Lärm aus ängstlichem Geschrei und Kampfgetümmel. Frauen duckten sich kreischend unter den grausamen Schlägen. Alles drängte auf den Marktplatz, der ohnehin überfüllt war von Menschen, die nun ihrerseits schubsten und schoben, um sich irgendwie Platz zu verschaffen.
    Den einzigen Fluchtweg schien jenes Tor zu bieten, das Margarethe und ihre Begleiter eben erreicht hatten. Im nächsten Moment bereute die junge Adelige ihr Zögern, denn mit lautem Rumpeln wurden die mächtigen Holzflügel vor ihrer Nase zugeschlagen. Albrecht unterdrückte einen Fluch. Margarethe blickte ratsuchend zu ihm auf.
    »Hinunter zum Vyŝehrad!«, befahl der Herzogssohn, ohne zu zögern. Die ehemalige Festung an der Moldau glich in diesen Tagen einer Priesterstadt. Dort würden sie vorerst in Sicherheit sein.
    Entschlossen wandten sich die drei jungen Adeligen nach rechts. Gejagt vom panisch kreischenden Pöbel hasteten sie weiter. Der Boden unter ihnen war noch vom Winterfrost gefroren, doch die oberste Lehmschicht hatte die Frühjahrssonne bereits angetaut, was den Weg gefährlich glatt machte. Margarethe schlitterte und stolperte. Die kalte Luft brannte in ihrer Lunge. Wie gerne wäre sie stehen geblieben, um Atem zu holen, doch sie wagte es nicht. Tränen stiegen ihr in die Augen. Wenn sie hier heil herauskamen, mussten sie der Heiligen Jungfrau mehr als nur eine Kerze spenden.
    »Vorsicht!«, rief Jan plötzlich, doch seine Warnung kam zu spät. Margarethes Rock verfing sich in einem aus dem Mauerwerk ragenden Metallstück, und die junge Frau, die weiterhasten wollte, verlor das Gleichgewicht. Flüchtende Menschen drängten sich an ihr vorbei. Margarethe wurde hin- und hergeworfen, versuchte aber trotzdem, den Stoff zu ergreifen und sich zu befreien. Im nächsten Moment rammte ihr jemand seinen Ellbogen in die Seite. Ein derber Ruck, und der Stoff gab ächzend nach. Margarethe wurde von der fliehenden Menge mitgerissen, und ein weiterer Stoß brachte sie endgültig zu Fall. Unsanft landete sie auf der Seite und rollte noch ein Stück weiter über die Straße. Einen Atemzug später trampelten Füße über ihren Körper. Ein Stiefel traf sie hart an der Hüfte, ein Mann stolperte fluchend über ihre Schulter. Margarethe schrie vor Schmerz auf. Schützend barg sie ihr Gesicht in den Armen und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, doch unter den Tritten der fliehenden Menschen war daran nicht zu denken. Orientierungslos kroch sie weiter.
    Sie werden mich hier zu Tode trampeln, schoss es ihr durch den Kopf. Der Gedanke zu sterben, das Gesicht im Unrat, ließ sie ihre ganze Kraft zusammennehmen. Ihre Finger tasteten nach der Mauer, fanden sie endlich und suchten nach einem Halt in den eisigen Steinen. Da packten sie starke Hände. Margarethe sah auf. Albrecht stand schützend über ihr und stemmte sich mit aller Macht gegen die fliehende Menge, während Jan sie auf die Füße zog.
    »Danke!«, schluchzte das Mädchen.
    »Weiter jetzt, weiter!«, forderte Albrecht mit ernster Miene. »Wir sind noch lange nicht in Sicherheit.«
    Tatsächlich schien die Lage eher noch bedrohlicher zu werden. Margarethe war sich sicher, hinter sich das Klappern von Hufen zu hören. Die Menschen schossen ziellos umher und versuchten, sich in die Häuser zu retten, wobei sie mit bloßen Fäusten gegen verschlossene Holztüren und Fenster hämmerten. Doch die Anwohner hatten Tür und Tor ängstlich mit schweren Balken verrammelt. Voller Panik versuchten einige der Flüchtenden sogar, die Wände hochzuklettern. Jan hatte Margarethes Hand fest gepackt und zerrte sie weiter. Sie liefen an der Stadtmauer entlang, bis sie einen unbebauten Streifen

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