Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Grün erreichten. Endlich ließ das Gedränge nach. Keuchend lehnte sich Margarethe an den rauen Stamm einer alten Eiche. Ein stechender Schmerz pochte in ihrer Seite. Jan sah sie besorgt an, während Albrecht mit der Hand am Messer die Umgebung im Auge behielt.
»Geht’s wieder?«, erkundigte sich der Blonde.
Margarethe nickte mit zusammengebissenen Zähnen. Sie hatten erst die Hälfte des Weges nach Vyŝehrad geschafft, und das Metzeln in ihrem Rücken schien noch lange nicht zu Ende.
»Du kannst dich auf mich stützen«, bot Jan an. Dankbar schlang Margarethe den Arm um den jungen Ritter.
Albrecht bog in eine schmale Gasse ab, von der Margarethe zu wissen glaubte, dass sie hinunter zum Viehmarkt führte. Unwillkürlich fragte sie sich, ob das eine kluge Idee war, denn dort befanden sich auch das gerade fertiggestellte Rathaus der Neustadt sowie die Wohnsitze zahlreicher Mitglieder des Königshofes. Bestimmt wurde dort alles gut bewacht. Doch Albrecht schien den gleichen Gedanken zu haben, denn kurz bevor sie den Platz erreichte, bog er in ein kleines Gässchen ab. Auch hier liefen Menschen hin und her und pochten gegen Türen. Doch die meisten von ihnen schienen tatsächlich hier zu wohnen, denn die Häuser verschluckten sie nach und nach.
Die drei Jugendlichen hatten die Straße zur Hälfte hinter sich gelassen, als sich an ihrem Ende ein merkwürdiges Schauspiel abspielte. Zwei Vermummte trieben eine junge Frau, die ein Kind auf dem Arm hielt und verzweifelt zu flüchten versuchte, gegen die Hauswand. Die Männer ließen sich Zeit. Stumm, die Arme ausgebreitet und mit Stricken in den Händen näherten sie sich Schritt um Schritt ihrem einfach gekleideten Opfer, in dessen Gesicht sich Todesangst spiegelte. Nach all dem Geschrei und Getöse und der Hektik war es eine derart bizarre Szene, dass Margarethe zunächst glaubte, ihre überreizten Sinne spielten ihr einen Streich. Hastig setzte die Frau das Kind ab und verbarg es hinter ihren Röcken. Im nächsten Moment hielt sie ein Messer in der Hand. Mit gefletschten Zähnen stach sie nach den Angreifern, die ihr jedoch geschickt auswichen. Es bestand kein Zweifel daran, dass sie ihr Opfer schließlich doch niederringen würden.
Margarethe schaute zu Albrecht hinüber, der ebenfalls stehen geblieben war. Noch hatten die Männer sie nicht entdeckt, und die drei Jugendlichen hätten sich ungesehen davonstehlen können. Doch damit wäre das Schicksal der jungen Frau besiegelt gewesen. Albrecht schien Margarethes Gedanken zu gelesen.
»He, ihr da!«, rief er mit gebieterischer Stimme. »Lasst augenblicklich von dem Weib ab!«
Die drei fuhren herum. Einen Augenblick lang schienen sie unschlüssig, dann jedoch machten sie kehrt und verschwanden ebenso lautlos, wie sie gekommen waren. Margarethe wollte bereits Albrechts mutigen Einsatz loben, als ihr bewusst wurde, dass es nicht der Herzogssohn war, vor dem die Vermummten geflüchtet waren. Hufgetrampel und Kreischen erklang in ihrem Rücken. Margarethe drehte sich um. Eine neue Schar Flüchtender hastete genau auf sie zu. Hinter ihnen schwarze Ritter mit Streitäxten in der Hand, die sie ohne zu zögern gegen die wehrlosen Menschen einsetzten.
»Lauf!«, riefen Albrecht und Jan wie aus einem Mund und bauten sich, jeder das Jagdmesser in der Hand, schützend vor ihr auf. Ein Schreckensschrei löste sich von Margarethes Lippen. Eilig hastete sie weiter. Keine zehn Schritte später hatte sie die Stelle erreicht, an der die Frau gestanden hatte. Doch sie war verschwunden.
»Hier herunter!«, rief eine helle Stimme.
Hektisch schaute sich Margarethe um. Dann entdeckte sie einen Schacht, der ganz offensichtlich zu einem Rübenkeller führte. Eine Hand winkte ihr.
»In den Schacht, bevor Ihr verloren seid!«
»Jan, Albrecht!«, schrie Margarethe und deutete zu dem Loch.
Die Jungen verstanden augenblicklich und rannten hinter Margarethe her, die sich bereits rücklings in das Loch gleiten ließ. Es ging tiefer hinunter, als sie gedacht hatte. Albrecht landete halb auf ihr. Jan folgte als Letzter. Er verbarrikadierte das Loch mit dem Deckel, der am Boden lag. Das Trampeln von flüchtenden Füßen und das Stampfen der Hufe waren jetzt ganz nah. Die gellenden Schreie der Menschen hallten in der Dunkelheit ihres engen Verstecks wider.
»Hoffentlich kommen wir hier auch wieder raus«, keuchte Jan atemlos.
Albrecht lachte gepresst. »So weit käm’s noch, dass wir in einem Kellerloch verschimmeln müssten. Stimmt’s
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