Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Habt Ihr sie etwa entkommen lassen?«
Der Vogt drückte dem nächstbesten Mann seine Zügel in die Hand. Hektisch rief er: »Wir sind überfallen worden! Gar nicht weit von hier. Auf die Pferde, dann können wir sie noch einholen.«
»Sedlic, du Hund«, fluchte Sachsenheim in der Annahme, dieser habe den Handstreich vollbracht.
Weida biss sich auf die Lippen. »Nein, nicht der«, sagte er dann. »Es waren Gewöhnliche und ein junger Bursche mit einer Armbrust, der Kleidung nach ein Patrizier.«
»Und von denen habt Ihr Euch in die Flucht schlagen lassen?«
»Immerhin hat der Bursche Euren Ritter niedergemacht.«
»So starb Gerhard wenigstens ehrenhaft. Ihr dagegen habt den Schwanz eingezogen und Fersengeld gegeben. Feigling.«
»Wagt noch einmal, mich so zu nennen, dann …«
Sachsenheim hob leicht die Augenbrauen. Dann lachte er breit. »Verzeiht, mein Freund. Ich ließ mich hinreißen, und Ihr habt natürlich recht. Wir sollten augenblicklich aufbrechen. Hier ist meine Hand. Ihr habt gewiss Euer Bestes gegeben, meine Braut zu beschützen.«
Der Vogt brummte ärgerlich, streckte dann aber auch seine Rechte aus. Sachsenheim zog den alten Ritter in scheinbar freundschaftlicher Geste zu sich. Er hob die Linke, ganz so, als wollte er dem anderen auf die Schulter klopfen. Zu spät sah Weida den Stahl in Sachsenheims Hand. Er versuchte, sich dem Griff zu entziehen, doch der Hofmeister hielt ihn mit eiserner Hand fest, während er ihm den Dolch in den Leib stieß. Ein Ruck und die Klinge war wieder heraus. Mit verächtlichem Blick stieß Sachsenheim den alten Mann, aus dessen Seite Blut quoll, von sich. Der Vogt aber war zäh. Seine Hand ging zu seinem Schwert. Er hob es hoch über den Kopf, und mit einem Aufschrei ließ er es auf Sachsenheim niedersausen. Die Klinge verfehlte den Hofmeister nur um Haaresbreite. Seine Männer waren sofort an seiner Seite, doch er stieß sie grob zurück. »Warte, ich werde dir zeigen, was Sachsenheims Lohn für einen Versager ist«, zischte er, ergriff ein Schwert und stürzte sich auf den verletzten Mann.
Das Klirren der aufeinandertreffenden Schwerter erfüllte den Hof. Trotz seiner schweren Verletzung hieb Weida wie ein wild gewordener Stier auf seinen Kontrahenten ein. Schon hatte er ihn in eine Ecke gedrängt, doch der Blutverlust schwächte ihn zusehends. In einer letzten Kraftanstrengung rannte der Vogt auf seinen Gegner zu und hielt das Schwert dabei wie eine Lanze. »Für Margarethe!«, brüllte er.
Sachsenheim wich aus und passte den Moment ab, in dem Weida ihm ungeschützt die Seite bot. Erneut stach er mit seinem Messer zu, dessen ungewöhnlich schmale und scharfe Klinge direkt in Weidas Magen fuhr. Die Augen des Vogts weiteten sich, und sein Blick sah erstaunt aus. Er schwankte. Blut quoll aus seinem Mund. Die Knie sackten ihm weg, und er fiel bäuchlings zu Boden. Ungerührt trat Sachsenheim dem alten Mann mit dem Stiefel in die Rippen. Der aber rührte sich nicht mehr.
»Aufsatteln!«, befahl der Hofmeister seinen Männern. »Wir reiten sofort los.«
Jan, Margarethe, Trine und Thomek ritten ohne nennenswerte Pause bis zu der Weggabelung, an der es in der einen Richtung zum Gasthof, in der anderen nach Wegisceda ging. Jan warf Margarethe einen fragenden Blick zu, und die junge Frau deutete Richtung Gasthof. Der Ritter seufzte: Nicht dass er etwas anderes erwartet hätte. Sie waren noch nicht weit gekommen, als der Weg durch eine fahruntüchtige Kutsche versperrt war. Sie stand schief und war offensichtlich mit Gewalt aufgehalten worden. Die Pferde waren verschwunden. Jan hob die Hand.
»Was nun?«, wollte Margarethe wissen. Sie sah blass aus.
Jan musterte sie besorgt.
»Ihr bleibt mit Thomek hier«, befahl Jan. »Ich schaue mir die Sache an. Falls ich angegriffen werde, wendet die Pferde und reitet so schnell es geht nach Passau.«
»Wir lassen dich nicht im Stich!«, widersprach Margarethe.
»Ich weiß, aber alle Mühe wäre vergeblich gewesen, wenn du in letzter Sekunde doch wieder in Gefangenschaft gerietest. Damit wäre niemandem geholfen.«
Thomek und Trine nickten zustimmend, sodass sich die Rothaarige geschlagen gab. Mit bangem Herzen sah sie dem Ritter zu, wie er zu der Kutsche herübertrabte. Alles blieb ruhig. Jan umrundete den Wagen zunächst und sah sich die Kampfspuren und die Toten an. Neben einem Mann stieg er ab und drehte ihn auf den Rücken. Er hatte sich gerade über den Körper gebeugt, als er in einiger Entfernung etwas bemerkte und in
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