Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Sepi, der viel jünger und unbekümmerter war. Sie hatten so viel Spaß miteinander. Und wie der Sepi sie immer ansah. Er hatte einen so treuen Blick, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun. Sachsenheim dagegen begehrte sie ganz ohne Zweifel, aber auf eine fordernde, gefährliche Weise.
Plötzlich rumpelte es heftig. Dann quietschte es, und schließlich war das Bersten von Holz zu hören. Das Chassis knickte weg, und die Kutsche geriet in Schieflage. Margot, deren Hände an einem extra dafür angebrachten Ring gekettet waren, schlug hart gegen die Wand. Gleich darauf war Waffengeklirr zu hören. Mit dem Mund zog das Mädchen die schweren Vorhänge zurück, um hinauszuspähen. Dort ging es drunter und drüber. Finster dreinblickende Gesellen mit riesigen Vorderladern und Äxten stürmten heran und wurden nach der ersten vergeudeten Salve von Weida und Gerhard, Sachsenheims Ritter, mit dem Schwert in Empfang genommen.
Auf einmal jedoch war Sepi zur Stelle. Margot wollte ihren Augen nicht trauen. Er hielt eine große Armbrust in den Händen und nahm Gerhard ins Visier, wurde jedoch von seinem unruhigen Pferd am Schuss gehindert. Immer wieder bemühte er sich vergeblich, seine Waffe ruhig zu halten. Plötzlich bemerkte Gerhard die drohende Gefahr. Er schnappte sich eine der Lanzen, die hinten an der Kutsche in einer Halterung lagen, und ging zum Angriff über. Während er sich weit über den Hals seines Pferdes beugte, raste er auf Sepi zu. Margot schrie auf.
Der Kaufmann besaß nicht einmal ein Schild, geschweige denn ein Schwert. Seine einzige Chance lag in der Flucht. Doch der Posener dachte gar nicht daran, das Pferd zu wenden. Gerhards Mund verzog sich zu einem triumphierenden Grinsen. Siegesgewiss hob er die Lanze, wozu er sich etwas aufrichten musste. Auf diesen Moment schien Sepi gewartet zu haben. Die Sehne schnellte vor und jagte den Bolzen heraus. Mit unglaublicher Geschwindigkeit surrte das Geschoss durch die Luft und traf Gerhard mitten in die Stirn. Sein Kopf wurde in den Nacken geschleudert, und ein Knacken war zu hören. Dann fiel Gerhard wie ein gefällter Baum zu Boden.
Keine Sekunde später sah Margot den Weida an sich vorbeigaloppieren. Er suchte sein Heil in der Flucht. Margot stieß einen Jubelschrei aus. »Hier bin ich, Sepi!«, rief sie, so laut sie konnte. »Hier drinnen!«
Die Wagentür wurde geöffnet, und ein vertrauter Wuschelkopf schob sich herein. »Mir scheint, die Dame hat eine Wagenpanne. Kann ich irgendwie behilflich sein? Ich bin zwar kein guter Kämpfer, aber von Fahrzeugen versteh ich eine Menge.«
Margot wusste nicht, ob sie lachen, schimpfen oder weinen sollte, und so sagte sie einfach: »Oh, mir würde es schon genügen, wenn ich die Arme freibekäme.«
Der Kaufmann warf einen Blick auf die Fesseln und zückte einen merkwürdig gebogenen Metallstift. »Auch das ist kein Problem. Ich hab meinen Sesam-öffne-dich immer dabei. Er hat mir schon als Bub gute Dienste geleistet. Wenn Ihr erlaubt, dass ich Euch jetzt ein wenig näher komme, meine Dame«, scherzte er, beugte sich über sie und machte sich an dem Schloss zu schaffen, wobei er sie halb in die Arme nahm.
Margot hatte das Gefühl, von einer Woge des Glücks durchflutet zu werden, und als Sepi sie nach getaner Arbeit küsste, ließ sie ihn freudig gewähren.
»Ich glaube, so etwas sollten wir öfter machen«, flüsterte Sepi glücklich. »Wenn du meine Frau bist, meine ich.«
»Dann benötigst du keinen Dietrich mehr, denn das Schloss zu meinem Herzen steht längst offen.«
»Wenn ich die Herrschaften kurz stören dürfte.« Einer der Hussiten steckte den Kopf zur Kutsche herein.
»Was ist?«, knurrte Sepi ungehalten.
»Nun, ich würde vorschlagen, wir machen uns aus dem Staub, bevor der Kerl, der uns entwischt ist, mit Verstärkung zurückkommt.«
»Ja, ähm, richtig. Den hätte ich beinahe vergessen. Kannst du reiten, Liebste?«
»Mit dir überallhin.«
»Dann lasst uns die beiden Kutschgäule ausspannen und nichts wie weg von hier.«
Im gestreckten Galopp erreichte Heinrich von Weida den Gasthof und brüllte nach Sachsenheim, der bei den verbliebenen Söldnern und neben seinem Ritter stand.
»Was ist denn das für ein Tumult?«, herrschte der Hofmeister. Dann erkannte er Weida. Seine Miene verfinsterte sich. Sachsenheim schob die Söldner zur Seite und schritt auf den Vogt zu, der gerade vom Pferd gesprungen war. »Was zum Teufel treibt Ihr hier, Weida, statt mit meiner Braut gen Osten zu fahren.
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