Die Falknerin: Historischer Roman (German Edition)
Türschloss auf ihrer Seite des Wagens, doch da war keines. Noch einmal tastete sie möglichst unauffällig die stoffbezogene Wand ab. Nichts. Nun gab es kein Entkommen mehr. Ihr Kleid schien mit einem Mal unerträglich eng, und in der Kutsche war es schon jetzt viel zu heiß. Schweiß rann ihr über den Rücken. Trotzdem zog die junge Adelsfrau den Schal fester um die Schultern. Die Kutsche neigte sich, ein Zeichen, dass der Weida seinen Fuß auf den Tritt gestellt hatte, um einzusteigen.
Jan fingerte nervös an den Zügeln seines Pferdes herum und beobachtete, wie Weida im Verschlag verschwand. Auch wenn es ihm schier das Herz brach, war er sich dennoch sicher, dass der Weida richtig lag mit dem, was er gestern, während des ausgiebigen Besuchs in der Badstube, gesagt hatte. Er allein würde dafür sorgen können, dass Margarethe ihre Ehre behielt. Mit ihm war es ihr bestimmt, Herrin einer Burg zu sein, auf der man sie respektieren und den Nacken vor ihr beugen würde. Weida hatte Jan sein Wort gegeben, Margarethe als Gattin stets zu ehren. Er verlangte nicht mehr von ihr als einen Erben. Im Gegenzug würde sie alle Annehmlichkeiten einer Dame von Stand genießen.
Nach einer schlaflosen Nacht hatte Jan eingesehen, dass er Margarethe zu sehr liebte, um tatenlos danebenzustehen und zuzusehen, wie sie mit Albrecht in ihr Unglück rannte. Da war es besser, Albrechts Freundschaft und sein Wohlwollen zu verlieren und noch einmal von vorne anzufangen. Der Vogt hatte Jan sogar eine Stellung auf der Osterburg angeboten, aber die hatte Jan dankend abgelehnt.
Auch Albrecht hatte nach dem Zwischenfall auf der Falknerei versucht, mit Jan zu sprechen. Man hatte den Herzogssohn unter Hausarrest gestellt. Er hatte Jan eine Nachricht geschickt, aber Jan war der Bitte um ein Treffen nicht gefolgt. Die Enttäuschung schmerzte ihn zu sehr. Der Böhme war froh, dass Albrecht weg sein würde, wenn sie von ihrem Ausflug zurückkamen. Seine Abreise nach München war auf Montag vorverlegt worden. Es schien, als wäre auch die Königin froh, ihren Neffen endlich loszuwerden.
Jan schluckte bei dem Gedanken, dass von seinem früheren Leben nicht mehr als ein Scherbenhaufen übrig geblieben war. Alle hochfliegenden Pläne waren mit einem Schlag zerbrochen. Er würde nicht mit Albrecht nach München gehen, keine Karriere am bayrischen Hof machen, und er würde auch niemals Margarethe als Gattin an seiner Seite haben. Er war wie stets allein. Der Ring an seinem Finger, den ihm einst seine Mutter gegeben hatte, wog zentnerschwer. In diesem Augenblick war Jan felsenfest davon überzeugt, dass das Schmuckstück niemals die Hand einer Dame zieren würde.
Ächzend hievte sich der Vogt in die Kutsche und ließ sich schnaufend neben Margarethe nieder. Der Lakai schloss die Tür. Weida zog mit einem selbstgefälligen Lächeln die Vorhänge zu, wobei sein Blick zufrieden an Margarethe hängen blieb. »Meine Damen, ich muss schon sagen, eine ansehnlichere Gesellschaft kann sich kein Ritter wünschen«, lobte er.
Katerina lächelte abfällig. Margarethe schwieg. Das alles kam ihr so unwirklich vor, als wäre sie eine Schauspielerin in einem schlechten Theaterstück. Der Vogt klopfte mit dem Knauf seines Schwertes an die Decke, und die Kutsche setzte sich schwankend in Bewegung. Eine Weile sagte keiner etwas. Der Vogt spielte mit den Fingern. Gedankenverloren runzelte er die Stirn. Margarethe hätte nichts dagegen gehabt, wenn es die ganze Fahrt so ruhig geblieben wäre, doch als sie die Tore des Stadtschlosses hinter sich gelassen hatten, brach Heinrich von Weida sein Schweigen.
»Nun, Margarethe, jetzt sind wir endlich ungestört und haben reichlich Zeit, einige Dinge zu klären.«
Margarethe biss sich auf die Lippen. Sie war auf alles gefasst.
»Ein hübsches Kleid trägst du heute«, lobte der Vogt. Überrascht blickte Margarethe auf. Weidas Mund verzog sich zu einem ironischen Grinsen. Margarethe senkte wieder den Blick und musterte intensiv ihre Fingerspitzen. Weida seufzte, hob kurz den Vorhang an und spähte hinaus. Wohlwollend tätschelte er dann ihre Hand und rückte ein Stückchen näher. Gönnerhaft säuselte er: »Lass es mich so ausdrücken, meine Liebe. Ich habe ein großmütiges Herz und bin durchaus bereit, über diese Sache mit dem Bayernprinzen hinwegzusehen.«
Er fasste in seine Geldkatze und zog einen Ring daraus hervor. Dann griff er nach Margarethes Hand und streifte ihn ihr über den Finger, bevor sie auch nur wusste, wie
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