Die Fallen von Ibex
großer Meeresklippen verlief das Land ins Meer - ein Land aus Sand und Gras.
Aus einem vagen Flecken vor dem hellen Blau und Grün der sanft gewellten Hügel wurden jetzt Mauern; sehr solide und sehr hohe Mauern. Die Bedrohlichkeit nahm in gleichem Maß ab. Die Mauern waren ein aus Lehm und normalem Erdreich zusammengebackenes Konglomerat, dazwischen zeigten sich unkenntliche Brocken früheren Gesteins, zottig bewachsen mit Gras und Moosen und Kräutern - wie Haarbüschel eines räudigen Hundes. Die ganze Stadt erinnerte jetzt wie das in einer Flußbiegung fallengelassene Nest einer Schlammwespe. Die alte Straße führte geradewegs durch bebaute Felder; der Karte zufolge konnten sie sie umrunden, sich durch das Gestrüpp schlängeln und hinter der Stadt auf die Straße zurückkehren. Es war eine Sache der Risikobereitschaft, Aleytys wußte das; trotzdem - sie wollte keinen Umweg in Kauf nehmen. Sie war völlig entspannt und von einem trägen Wohlbehagen erfüllt. Das Zögern war wie eine vor ihr emporwachsende Mauer, eine unsichtbare, nachgiebige Mauer, die den Gedanken an eine Umrundung der Stadt mehr und mehr aussperrte. Sie warf Shadith einen Blick zu. Das Mädchen saß zusammengesunken im Sattel, ihr schlanker, völlig entspannter Körper bewegte sich im Einklang mit dem schaukelnden Gang des Gyrs. Sie überwand sich, zügelte ihr Reittier, bedeutete Shadith, nicht anzuhalten, als sie sich träge nach ihr umwandte, und wartete, bis Eload Wakille an ihrer Seite ritt.
„Du hast mit ihnen Handel getrieben?” Sie nickte zu der Schlammburg vor ihnen hin.
„Ein wenig.”
„Feindselig?”
„Hin und wieder. Kommt darauf an.”
„Denkst du, wir sollten ihnen aus dem Weg gehen?”
„Du hast keine große Lust dazu.”
Sie betrachtete sein Gesicht; ein freundliches Gesicht. Vielleicht zu freundlich; zu einschmeichelnd. Sie lächelte. „Bin zu faul.”
„Hmm.” Er wandte sich halb im Sattel um. Die Sonne kauerte noch über den Bergen, ein schmaler werdender Rotstreifen zu beiden Seiten des zusammengedrückten Runds. Er wandte sich wieder um, straffte den Rücken, starrte nachdenklich auf die Mauern, die sich vor ihnen aus dem dichten, braunen Gestrüpp erhoben.
„Eine halbe Stunde, nicht mehr, und wir sind fort. Triste Lehmhäuser auf den Feldern; die Menschen dort schuften sich fast zu Tode und sind halb verhungert. Sie zählen nicht. Werden nicht länger als eine Sekunde von ihrer Arbeit aufsehen. Haben Angst, sie könnten aussortiert werden. Verstoßen werden. Ein paar Aufseher. Hmm.
Könnten Ärger machen. Unwahrscheinlich. Sie sind daran gewohnt, daß ich vorbeikomme. Meist allein. War auf dieser Reise noch nicht so weit. Ihr seid Frauen, du und die Kleine da vorn…
Überhaupt, wie es dir gelungen ist, ein Zel in ein freundliches Wesen zu verwandeln, werde ich nie verstehen.” Er seufzte in übertriebener Enttäuschung, als sie nicht auf seine List einging.
„Werden annehmen, daß ihr in der Unterhaltungsbranche tätig seid, sozusagen… Wenn wir anhalten würden, bekäme ich bestimmt ein paar recht interessante Angebote.” Sie schnaubte, und er lachte - jenes dunkle, polternde Kichern, das sie weiterhin amüsierte, sooft sie es hörte. „Ich informiere dich nur, Löwin.”
„Nenn mich nicht so.” Sie trieb ihr Gyr an und gesellte sich wieder zu Shadith.
Ein wackeliger Zaun aus zusammengeschnürten Sträuchern und einfachen Pfosten begrenzte die bebauten Felder. Entlang der Stra
ße war diese Absperrung auf einige auf dem Belag verstreute Zweige und einen morschen Pfahl reduziert.
Aleytys zügelte ihr Gyr neben diesem Pfahl, und die anderen taten es ihr gleich. Sie spürte, wie sie sie ansahen, beobachteten; keiner von ihnen sprach. Mit einem ungeduldigen Ruck hob sie die Schultern und spähte über das bepflanzte Land hinweg. Auf einzelnen Parzellen arbeiteten Leute - auf Händen und Knien, graue Bündel, an den Pflanzenreihen entlang gebeugt wie zottige Käfer. Ein einzelner Mann saß jeweils auf einem in der Mitte des nächstgelegenen Feldes aufgestellten hohen Schemel, zusammengesunken, halb dösend; ein gespannter Bogen schwang an einem in die Sitzfläche des Schemels geschraubten Haken; an demselben Haken aufgerollt hing auch eine Peitsche. Aleytys zählte die Aufseher nicht. In der Ferne ging ein Arbeiter in einem Wasserrad immer rundherum. Das Schaben und Schleifen der Ledereimer, das Plätschern des Wassers wehten deutlich zu ihr heran. Die breite, hohe Stadtmauer schien
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