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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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außer Sicht, zu weit entfernt, um mehr als verfärbtes Wasser sehen zu können.
    Sie zog ihre Oberkleidung aus, rollte die Stiefel in Hose und Jacke ein und band das Bündel am Sattel fest. Dann wandte sie sich den anderen zu. Shadith - in das Zel-Leder gekleidet, angetan mit ihrem Lendentuch, die Beinkleider ausgezogen, um die Sandalen gewickelt und in einer der Satteltaschen geborgen; ihre Augen glänzend, wie schon viel zu lange nicht mehr, den Blick nicht auf Aleytys gerichtet, sondern auf einen Punkt hinter ihr, in dem wogenden Wasser. Wakille - der Unsichere; gerade in den hinter ihnen liegenden langen, stillen Tagen so geworden und damit auch zweifellos gefährlicher als zuvor. Er bereitete ihr Unbehagen, und sie konnte es nicht vor ihm verbergen. Etwas Fremdes war an ihm, etwas, das sie zuvor nicht bemerkt hatte, als habe die Erosion der endlosen Tage auf der Insel Schicht um Schicht jener Maske, die er in all den Jahrzehnten seines Umherziehens, seines schlecht regulierten Lebens geformt hatte, Stück für Stück wieder entfernt; und je mehr Höflichkeit und anerzogene Zivilisiertheit zurücktraten, desto mehr trat etwas in seine Augen, das ihr Angst machte. Sie schaute hastig weg. Linfyar saß auf Julis Reittier, die Ohren leuchtend rosa und durchschimmernd und aufgestellt, in ständiger Bewegung, alle Geräusche kostend; er war so aufgeregt wie Shadith, und gleichzeitig hatte er Angst vor dem Nichts, vor dem Unbekannten, in das hinein sie jetzt vorstoßen würden. Er hatte die Insel satt und zögerte doch, sie jetzt zu verlassen. Er lächelte wieder, kurz davor, loszuplappern, irgend etwas, wenn man ihm auch nur die geringste Ermutigung hierzu gab, und natürlich war er wieder dazu übergegangen, seinen Charme wirken zu lassen; er wollte nicht, daß sie ihn verstießen. Aleytys seufzte und fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht. „Es wird schnell seichter”, rief sie über das Jaulen des Windes hinweg. „Den ersten Kilometer oder so werden wir schwimmen müssen. Wakille, Linfyar, wenn ihr mit euren Gyori Schwierigkeiten habt, dann meldet ihr euch. Shadith und ich können euch helfen. Linfy, hör auf mich - wenn es Ärger gibt, dann warte nicht zu lange, bis du um Hilfe rufst. Die Ebbe kommt, und es wird nicht ganz leicht werden, aber die Gyori sind stark genug, um es damit aufnehmen zu können. Bleib so dicht wie möglich bei mir. Sobald wir auf den Damm stoßen, haben wir eine Menge Probleme hinter uns. Aber wir werden da nicht anhalten, wir werden so schnell wie möglich landeinwärts weiterziehen; jeder für sich und als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter uns her. Und jeder kümmert sich um sich selbst. Unterwegs werde ich keine Puste mit Reden verschwenden. Irgendwelche Fragen?” Sie schaute einen nach dem anderen an. „Alles klar. Dann los!” Sie fuhr herum, klatschte ihrem Gyr auf die Kruppe und folgte ihm ins Wasser.
    Die Wogen kamen lang und schwer und dicht aufeinander; ein normales Schwimmen war unmöglich. Das Wasser senkte sich urplötzlich unter ihr weg, und sie strampelte kopfüber in die vor ihr emporwachsende Welle hinein. Das Wasser zerrte an ihr, begrub sie unter gewaltigen, auf sie herabbrechenden Kammlinien. Verdammte Welt, dachte sie. Verflucht seien alle Meere. Warum hab’
    ich nie gelernt, wie man in diesen Wellen schwimmt?
    Dann jagte das Gyr an ihr vorbei; seine Läufe hatten auf dem rasch seichter werdenden Grund Halt gefunden. Sie packte zu, hielt sich am Sattelpolster fest und ließ sich von dem Tier voranziehen.
    Schnaubend und prustend erreichte es eine der langgezogenen, schmalen Barriere-Inseln. Sie spuckte aus, blickte über eine Schulter zurück und sah die anderen dicht hinter sich. Sie ergriff den Zügel des Gyrs und setzte sich wieder in Bewegung.
    Ein tiefer Kanal trennte diese Insel von der nächsten. Die Strömung zerrte jetzt nachdrücklicher, und sie mußte gegen den Sog ankämpfen, der sie wieder hinauszutragen drohte. Es gelang ihr, sich auf die nächste Sankbank hinaufzukämpfen. Sie hielt nur für Sekunden an.
    Sie spähte aufs Meer hinaus, aber außer dem aufgewühlten Wasser und dem dunkler werdenden Himmel - eine blutige Färbung kroch von der untergehenden Sonne aus dem Westen heran -war dort auch nichts zu sehen. Sie hetzte weiter, kämpfte sich von Insel zu Insel dem Land entgegen, überwand die engen Kanäle, und die anderen folgten ihr verbissen. Noch eine weite Sandfläche, dann wölbte sich das Delta vor ihr aus, flach und fahl. Sie

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