Die Fallen von Ibex
und Aleytys von seinen Nachstellungen erzählt hatte. Sie beherrschte sich eisern und hielt die Worte zurück, die ihr auf der Zunge lagen. Momentan brauchte sie ihn, sosehr sie sich über diese Notwendigkeit auch ärgerte.
„Reite voraus”, wies sie an - ein Befehl, keine Bitte; und auch keine Frage. Sie wußte, er würde Gefallen daran finden, sie zurückzuweisen, auch wenn ihm das selbst weh tat. „Nimm dich in acht vor Schlangen und anderen Überraschungen. Halte uns von Fallen fern.”
Einen Moment lang war sie davon überzeugt, daß er ablehnen würde. „Wie weit?” erkundigte er sich schließlich.
„Bis du einen Platz gefunden hast, an dem wir lagern können, ohne lebendig gefressen oder von Pilzen überwuchert zu werden.
Woher, zum Teufel, soll ich wissen, wie weit?”
„Was ist mit ihr?”
„Entweder, sie wacht auf, oder sie wacht nicht auf. Das Lager ist jetzt ausschlaggebend. Wir haben keine Wahl, Krämerseele.
Kein Platz für uns in dieser Gegend.” Sie schlug verärgert nach den Insekten, die um ihren Kopf kreisten. „Verschwinden wir von hier, gut?”
Wakille wandte sich um, ließ sein Gyr antraben.
Immer weiter, langsam und mühselig. Wakille warnte sie, wenn es Probleme gab; mit Aleytys’ stachelbewehrtem Kampfstock hielt er ihnen Schlangen und andere Kriechtiere vom Leibe. Er hatte den Stock aus irgendwelchen Verstecken hervorgeholt, was Shadith erschreckt hatte. Sie war davon überzeugt gewesen, daß er als überflüssiges Gewicht auf der Insel zurückgeblieben war.
Nachdem sie sich eine Stunde lang durch die Dunkelheit getastet hatten, ging der Mond auf und war ein wenig dabei behilflich, den Weg zu erhellen; Vollmond, blutigrot gefärbt durch den Staub, der vor seinem Antlitz wogte.
Die Ruinenstadt war ein verschwommener Fleck vor ihnen, Umrisse, die nach und nach deutlicher erkennbar wurden, bis die Türme schließlich dunkel und unheimlich über sie emporragten.
Der Damm führte in einer sanften Schräge nach oben. Shadiths Gyr stöhnte und stolperte und blieb mit hängendem Kopf stehen.
Sie seufzte und rutschte von seinem Rücken herab - und fühlte sich selbst kaum besser als er. Sie zögerte, dann tätschelte sie Linfyars Oberschenkel und hieß ihn, oben zu bleiben. Weiter vorn saß auch Wakille ab und begann sein Tier zu führen.
Sie gingen langsam, schwerfällig aufwärts, die Gyori widerstrebend, aber immerhin; Zoll für Zoll brachten sie die weite Schräge hinter sich, eine Schräge von nur eins zu acht, doch in ihrem gegenwärtigen Zustand war selbst dies beinahe mehr, als sie bewältigen konnten. Zerstörte Gebäude links der Straße waren wie Schorf, und der Gestank raubte ihnen den Atem. Shadith vermochte unbestimmbare Geräusche zu hören, knarrende Töne, schweres Platschen; je tiefer sie in die Stadt hineinkamen und die Türme das Dahinbrausen des Windes störten, desto deutlicher waren sie zu hören. Die Gyori schlurften weiter, und Shadith schlurfte weiter, angespannt und in der Gewißheit, daß sie es momentan bestimmt nicht einmal mit einem Schatten hätte aufnehmen können.
Immer weiter; eine Stunde kroch dahin, dann noch eine, bis sie schließlich die Türme des Zentrums der toten Stadt passierten und inmitten zahlloser Ruinengebäude unterwegs waren. Die Straße war noch immer erhöht, und einige Häuser am Hang waren tatsächlich unversehrt, doch Wakille hielt nicht an, und Shadith dachte nicht daran, ihn nach dem Grund zu fragen. Sie zögerte genauso wie er, dem gegenüberzutreten, was die Ranken in den Fensterhöhlen jener Behausungen so unheimlich schwanken ließ. Dann ließen sie die Stadt hinter sich. Hier wuchsen Gras, Bäume, Büsche, allesamt dicht beieinander, und drängten sich an die Straße heran. Shadith sah diese Bäume mit großer Erleichterung, und zugleich wurde die Schwäche in ihren Knien so übermächtig, daß sie sich ernsthaft fragte, ob sie es überhaupt noch schaffen konnte, den einladenden Flecken mondbeschienenen Grases unmittelbar am Rand des Hains zu erreichen. Das in so greifbare Nähe gerückte Ende ihrer Odyssee untergrub die verbissene Konzentration auf das Weitergehen und machte das Vorankommen äußerst mühselig.
Doch sie erreichte den Hain und sah voller Vergnügen, daß das Gras schwer war vom Tau. Dies bedeutete: kein Wasserschleppen, um den Durst der Gyori zu stillen; der Tau genügte ihnen, damit würden sie bis zum Morgen auskommen. Überhaupt - genaugenommen konnte der Morgen nicht mehr weit sein, obgleich
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