Die Fallen von Ibex
drei Kilometer breit. Hoffentlich müssen wir den nicht überqueren. Unmöglich, wenn wir nicht ein paar Eingeborene auftreiben, die ein Fährunternehmen betreiben.
Sie streckte sich und gähnte. Es wurde allmählich kalt. Geht auf den Winter zu. Wahrscheinlich kommt gerade eine Kältefront hier durch. Regen? Keine Wolken, momentan jedenfalls noch nicht. Gut möglich, daß es noch eine Weile klar bleibt. Sie fröstelte. Lee, morgen früh wachst du besser auf. Mein Hals fühlt sich an, als wäre darin etwas mit einer Menge Zähne und Krallen gestorben. Und Linfyar… Hoffentlich bist du morgen wieder bei uns, Heilerin.
Außerdem wird Wakille schon wieder ziemlich seltsam… Gott sei Dank ist er nur so ein kleiner Kriecher. Aber stark. Viel stärker als dieser Körper. He, Shadi - das ist jetzt DEIN Körper. Wird Zeit, daß du dich daran gewöhnst. Und dich darum kümmerst. Immerhin steckst du darin fest. Einer ihrer Mundwinkel krümmte sich leicht nach oben, als sie an den Körper dachte, den sie wahrhaftig gerne hätte. Aleytys’ Körper. Aber das war unmöglich, und so konnte sie genausogut mit dem zufrieden sein, den sie jetzt hatte; immerhin hatte sie beinahe darum gebettelt - nein, ihn mit allem Nachdruck haben wollen. Höchste Zeit, zu vergessen, was einmal war, und damit weiterzumachen, was ist. Sie streckte sich auf der Plane aus, zog die Decke fest um sich und begann sich zu entspannen, als ihr wärmer wurde. Ihr letzter Gedanke vor dem Einschlafen galt Swardheld. Swardheld und Shadith. Bald. - Sobald sie nach Wolff zurückgekehrt waren.
2
Shadith schreckte mit einem Gefühl der Dringlichkeit aus dem Schlaf, mit einem Wissen um große Gefahr; doch sie blieb ganz ruhig in der Wärme der Decke liegen und atmete gleichmäßig weiter. Vorsichtig öffnete sie die Augen einen Spalt weit.
Wakille beugte sich über Aleytys; seine Hände umfaßten ihre Kehle.
Mit einer verzweifelten Kraftanstrengung war Shadith auf den Füßen, die Decke flatterte weg, und sie war unterwegs und trat zu; ein Fußtritt, der den Händler von dem reglosen Körper, über den er sich gebeugt hatte, wegschleuderte. Dann stand sie zwischen ihm und Aleytys; das Zel-Messer in ihrer Hand schimmerte im Licht der frühen Morgensonne wie Elfenbein. Wakille richtete sich auf, den Blick unablässig auf die Klinge gerichtet. Dann verhielt er reglos. Blätterschatten sprenkelten sein Gesicht, als die Morgenbrise die Zweige über seinem Kopf bewegte. Als er sprach, verschmolz seine Stimme eigenartig mit dem Wind, bis es schien, als spreche der Wind und nicht er.
„Du hast erlebt, was da hinten passiert ist”, sagte diese Windstimme. „Du hast das Diadem gesehen, kleine Wilde. Und du hast keine Ahnung, welchen Reichtum das bedeutet. Wir können damit von dieser Welt wegkommen, wir können für den Rest unseres Lebens ein verdammt großartiges Leben führen; alles, was du nur willst, gehört dir. Alles, was du je wollen könntest.
Und Macht. Wer bist du, kleine Wilde? Was bist du? Gut, sie hat dir das Leben gerettet, na wenn schon! Ihr habt nichts miteinander; sie ist nicht deine Geliebte, das weiß ich. Trotzdem gibt es eine Bindung zwischen euch, was auch immer… Aber denk nach.
Freunde und Geliebte - da draußen findest du mehr als genug davon, jedenfalls, wenn du reich genug bist. Sei kein Dummkopf.
Man soll nichts auslassen im Leben; etwas so Großartiges schon gar nicht. Was immer du ihr schuldest - du hast es ihr schon längst zurückgezahlt. Schau sie dir an, in diesem Zustand ist sie schlimmer dran als tot, eine Pflanze, kein menschliches Wesen mehr. Hilf mir, sie zu erlösen…”
Und die Stimme sprach immer weiter, spürte ihre Schwächen auf, und das war noch der geringste Teil dessen, was er machte.
Shadith spürte warme Berührungen in ihrem Geist, Berührungen, die zugleich sanft waren und ihren Zorn beständig auslaugten …
und diesen ihren Zorn schließlich auf Aleytys konzentrierten, Berührungen, die jene Ressentiments, die sie bereits verspürte, entdeckten und vergrößerten und ihr Schamgefühl wegkitzelten.
Wakille, der Händler… Jetzt gab er sein Bestes, sie sowohl mit seinen geistigen Manipulationen wie auch mit seinen Worten zu verführen, Worte, die schlußendlich nur Farbe auf der Oberfläche waren, eine Ablenkung von dem, was er in ihrem Kopf machte…
Offenbar vertraute er doch nicht allzusehr darauf, sie nur mit Worten überreden zu können - obwohl er sehr von sich überzeugt war; aber letzten Endes
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