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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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kannte er einige sehr wichtige Details über ihre Beziehung zu Aleytys nicht… Dennoch gelang ihm das jetzt -zumindest in einem gewissen Maß, da er sie zwang, ihre Konzentration von ihm abzuwenden und über diese ihre Beziehung nachzudenken, über die Jahre des Gebens und Nehmens, gegebener und wiedergegebener Großmut, die Jahre des Lernens, Aleytys zu schätzen. Sie fragte sich, ob auch Harskari diese leidenschaftliche, verzehrende Bindung empfunden hatte - Swardheld gegenüber, und ihr gegenüber, und dachte: vielleicht, ja.
    Vielleicht war es lebensnotwendig für die Gefangenen des Diadems, die Trägerin lieben zu können, lebensnotwendig, um die Intimität der geistigen Verschmelzung ertragen zu können. Sie dachte: wir haben mit allen Trägern des Diadems Glück gehabt; mit einem nach dem anderen. Sie blinzelte und starrte auf Wakille. Nein, sagte sie sich. Nein!
    Ohne weiter nachzudenken, ohne Vorwarnung, brach sie zusammen; lag plötzlich in dem frischen, duftenden Gras, die Stirn auf einem Unterarm ruhend, den Kopf in die Krümmung dieses Armes gesteckt, die andere Hand auf ihr Ohr gepreßt, als könne sie es nicht mehr ertragen, seine Worte zu hören. Er näherte sich. Sie konnte das Scharren seiner Stiefel auf dem festen Plastik hören, als er um sie herumging und bei Aleytys stehenblieb. Er redete noch immer auf sie ein, ununterbrochen, dieselben leisen, samtweichen Worte, er bedrängte sie unablässig weiter - doch jetzt ignorierte sie sowohl die Worte als auch die versuchte Manipulation ihres Geistes; sie raffte ihre ganze Kraft zusammen, konzentrierte sich ganz auf ihr Talent - und fuhr in Aleytys’ Körper hinein; in diesen Körper, den sie besser kannte als denjenigen, der mittlerweile zu dem ihren geworden war. Sie nistete sich in ihrem Verstand ein und erstickte alle Zweifel darüber, daß sie möglicherweise nicht das Recht hatte, das zu tun. Sie manifestierte sich in Aleytys’ Körper.
    In einem Emporwogen von Kraft und Stärke erhob sich der Körper, und Shadith war nicht weniger verblüfft, als Wakille entsetzt war.
    Sie sah durch Aleytys’ Augen, und sie sah Wakille zurückspringen; den Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen. Grauen machte sein rundes Gesicht häßlich. Zu erschrocken, sein Talent einzusetzen, zu sondieren, was da vor sich ging, stürmte er davon und zu den Gyori; das kräftigste Tier war bereits gesattelt, und mit prall gefüllten Taschen beladen. Hat seine Flucht sorgfältig vorbereitet, bevor er sich um Aleytys gekümmert hat. Shadith fluchte lautlos. Sobald er im Besitz des Diadems gewesen wäre, hätte er sich bestimmt nicht mehr mit einem Mädchen und einem blinden Jungen belastet; er hätte sie bei dem Leichnam ausgesetzt. Sie sah ihm nach, sah ihn in den Wald hinein fliehen, und war ihrerseits zu sehr in Aleytys’ Körper eingebunden, um ihn aufhalten zu können.
    Und sie wagte nicht, Aleytys’ Körper freizugeben, nicht, bevor sie nicht sicher sein konnte, daß Wakille nicht zurückkehrte.
    Als sie den Hufschlag des Gyrs nicht mehr hören konnte, schloß sie Aleytys’ Augen, hielt den Körper jedoch weiterhin aufrecht stehend, bis sie ganz genau wußte, was sie als nächstes tun würde; erst dann hieß sie den Körper, sich niederzukauern und - in einer Fortführung dieser Bewegung - sich auf den Rücken zu legen. Shadith kehrte in ihren Körper zurück, setzte sich auf, rieb sich die Schläfen. Viel schwerer, als auf einem Vogelgehirn zu reiten. Sie beugte sich vor, bis ihr Gesicht nur mehr wenige Zoll von Aleytys’
    Gesicht entfernt war. „Harskari”, rief sie. „Bewegung, alte Hexe!
    Jag sie ‘raus aus ihrem Mauseloch, ich brauche ihre Hilfe.” Sie schluckte, rieb sich den Hals. Ihre Stimme kratzte; sie war schrecklich heiser. „Linfy ist krank, und ich fühle mich auch nicht gerade großartig.” Ihr Krächzen versiegte, als Aleytys reglos wie eine Leiche liegenblieb. Linfyar, dachte sie, und sie griff über Aleytys hinweg und schlug die Decke zurück. Er war sehr still, zusammengeschrumpft, mitleiderregend. Einen Augenblick lang dachte sie schon, er sei tot. Sie beugte sich tiefer hinab. Sie berührte seine Wange. Heiß. Das Fieber brannte noch immer in ihm. Er sah elend aus, sein weiches Fell war verfilzt, aufgerauht, sein Atem war heiser und mühsam. Winziges, zerbrechliches Wesen. Sie zog die Decke wieder über ihn, kauerte sich dann auf die Fersen zurück und betrachtete den reglosen, vor ihr ausgestreckten Körper. Sinnlos, sie zu ohrfeigen

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