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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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beinahe riechen, als verströme er einen intensiven, öligen Gestank der Gefahr. Noch immer nichts. Das alles war nur Einbildung. Nichts. Nichts. Wo steckt er? Mögen ihm die Haare ausfallen und auf seiner Zunge Würmer wachsen. Wo steckt er? Wenn er Shadith und Linfyar etwas angetan hat… Die Wut in ihr drohte auszuufern. Sie hielt zitternd an, drosselte sie; das lenkte viel zu sehr ab, war zu verräterisch.
    Vor ihr tanzten Staubteilchen in Lichtfächern, die zwischen den großen Bäumen ausgebreitet waren. Eine Art Lichtung. Sie ging weiter, geisterte in einem unregelmäßigen Kreis um die Lichtung herum und suchte die Bäume ab. Nichts. Soweit sie dies feststellen konnte, hockte der kleine Mann nicht auf irgendeinem Ast und wartete darauf, sich auf sie herabzustürzen. Sie glitt weiter, hielt sich in den Schatten, mied jeden auch noch so geringfügigen Laut -und wußte, daß er sie spüren konnte; und hoffte, daß es ihm dennoch nicht gelang, sie allzu exakt zu lokalisieren. Vor ihr lag ein gewaltiger Baumriese, umgestürzt vor einigen Jahren, war er jetzt im Begriff, in den Boden zurückzufaulen. Sie huschte in den Schatten des großen, weitverzweigten Gewirrs emporwuchernder Wurzeln und des kleinen Baumes, der in dessen Schutz emporwuchs. Sie duckte sich, wartete; nichts geschah. Schließlich hob sie ganz langsam den Kopf, bis sie in die Lichtung hinaussehen konnte.
    Sie erstarrte wieder; unterdrückte den Zorn, der abermals in ihr hochflackerte.
    Shadith lag in sich zusammengesunken auf dem welken Gras; ein Blutrinnsal trocknete in ihrem Mundwinkel. Linfyar hockte neben ihr. Ein Sack war über seinen Kopf gestülpt, Arme und Beine waren fest an seinen Körper geschnürt. Dem Jungen wurde so eine Haltung aufgezwungen, die zunehmend schmerzhafter geworden sein mußte, je mehr Zeit vergangen war. Er saß völlig reglos. Zuerst begriff sie nicht, warum, dann bemerkte sie die Schlinge um seinen Hals. Wenn er sich bewegte, zog er diese Schlinge unweigerlich zu und erwürgte sich. Sie schmiegte eine Hand fest über Mund und Nase und riß sich zusammen, um Stille und Beherrschung zu bewahren. Mit tiefer Besorgnis betrachtete sie das dichte trockene Gras neben dem Mund des Mädchens. Unvermittelt meinte sie, es sich bewegen zu sehen. Es konnte der Wind gewesen sein; sie vermochte es nicht zu sagen. Aber vielleicht lebte Shadith noch. Und weil diese Chance bestand, mußte sie in Wakilles Falle gehen. Sie richtete sich auf und trat in die Lichtung hinaus.
    Ein Schlag. Pfeil in ihrer Seite.
    Verzweiflung, so stark, daß sie in die Knie brach, den Mund aufgerissen, aber die Kehle wie zugeschnürt. Kein Laut.
    Entsetzen. Sie bebte, krank vor Entsetzen. Konnte nichts sehen.
    Shadith und Linfyar vergessen.
    Angst und Entsetzen wälzten sich über sie - wie der Tsunami zermalmten sie.
    Kein Widerstand.
    Sinnlos, zu kämpfen.
    Noch ein Schlag.
    Schmerz und Übelkeit.
    Ein Pfeil in ihrem Rücken. Gift. Sollte es wirken. Was hat es schon für einen Sinn, es zu versuchen? Nichts war diesen Schmerz wert, es gab kein Entkommen vor dem Schmerz des Lebens, davor, daß sie war, was sie war, eine Mißgeburt, ein Freak, häßlich, niemandem zugehörig, niemand wollte sie wirklich bei sich haben, sie alle verachteten sie, benutzten sie, warfen sie weg, sobald sie ihnen nicht mehr nützlich war. Dreck. Dreckiges Halbblut-Nichts.
    Gemeine Mutter. Bist davongelaufen und hast dein Kind zurückgelassen, Hure, legst dich zu jedem, der gut genug lügen kann, um dich herumzukriegen, dich zu benutzen, dich wegzuwerfen. Nirgends wirst du eine Zuflucht finden, es gibt keinen Platz für dich, niemals, nirgendwo. Sinnlos, dieses Leben; du bist nur ein Nichts, die Muster deines Lebens sind keine Muster, nur Chaos und Sinnlosigkeit, nur Absurdität. Du bist nichts. Laß es los. Laß es los, und du hast deinen Frieden gefunden.
    Verzweiflung, die sie zerschmolz wie Wachs.
    Und der Zorn, den zu beherrschen sie sich abgemüht hatte, durchraste sie und brach aus ihr hervor.
    Sie war auf den Füßen, brannte, schrie.
    Die Bäume, die die Lichtung umgaben, brannten. Wie in Harz getauchte Fackeln brannten sie; ein Feuerkreis.
    Ein Kreischen. Todesqual. Ein brennendes, kreischendes Etwas fiel aus einem der Bäume herab, wälzte sich immer rundherum, ein rasender Feuersturm, der über die Lichtung wirbelte.
    Das Gesicht verzerrt, stürmte Wakille auf sie zu. Mit letzter Kraft sprang er sie an, prallte gegen sie. Seine Arme schlossen sich um sie, und das Feuer,

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