Die Fallen von Ibex
das sein Fleisch zerfraß, sprang auf sie über, und sie zerfraß sich selbst.
Sie schwelgte in diesem Schmerz, in diesem reinigenden Feuer.
Nur für einen Augenblick. Dann war sie wieder das Bergmädchen, das sie auf Jaydugar gewesen war, und die robuste, pragmatische Frau, die sie nach den Höhenflügen ihres Lebens geworden war, war zu Asche verbrannt, und ihr Eintauchen in Ekstase oder Verzweiflung stabilisierte sich. Es war wie ein Schock. Sie wollte leben. Sie würde leben.
Und sie kam zu sich, ringsum in Flammen, der Todesgriff eines verkohlten Leichnams umklammerte sie noch immer, während ringsum der Wald brannte, Gras und Äste zu ihren Füßen brannten.
Shadith und Linfyar brannten.
Mit einem Krächzen aus Abscheu und Ekel riß sie Wakille von sich los und schleuderte ihn weg, rief eine Sturmflut ihrer schwarzen Wasser heran, spülte das Feuer aus ihrem Körper, zog die Pfeile heraus, heilte die ausgefransten Wunden. Sie atmete flach, da jeder Atemzug Kehle und Lungen versengte, und stolperte zu Linfyar hinüber. Sie schnitt ihn los, riß den Sack von seinem Kopf, zerschnitt den Knebel. „Harskari”, keuchte sie, „du mußt uns abschirmen.”
Hinter ihr krachte der erste Feuerast herunter, und seine Hitze versengte sie. Das Gras war verschwunden, abgeflämmt vom Feuer, nur schwarzverkohlte Überreste waren zurückgeblieben. Linfyar schrie und klammerte sich an sie, so verängstigt, daß er kaum wußte, was er tat.
Shadith lag noch immer so, wie vorhin, als sie sie entdeckt hatte. Ungeduldig riß sich Aleytys los. Linfyar griff wieder zu, versuchte, sich in ihre Arme zu schmiegen. Die Angst um Shadith ließ sie ungeduldiger handeln als beabsichtigt; grob stieß sie ihn weg, ließ sich neben Shadith fallen. Krank vor Sorge berührte sie das Gesicht des Mädchens.
Leben. Schwach. Ein winziges Flackern unter ihren Fingern.
Aber die Erleichterung war wie ein plötzlicher Guß Eiswasser mitten ins Gesicht. Sie vergaß das Chaos rings um sich her, vergaß Linfyar, vergaß Harskari, vergaß alles bis auf das flackernde Leben unter ihren Händen. Sie ließ ihre Finger sanft über den Körper gleiten, tastete nach den Verletzungen.
Gebrochener Schädel, ein Blutklumpen, der auf das Gehirn drückte. Eine Wunde hoch an der Schulter, dicht am Hals; glatter Durchstich, schlimm zerfetztes Fleisch; noch mehr Blut, das die Wunde aufblähte. Verbrennungen. Innere Blutungen.
Aleytys legte ihre Hände flach auf Shadiths Körper, griff zu, holte die Wasser des dunklen Stromes, kanalisierte sie in den Körper hinein, sprudelnde Energie, die alle Wunden auswusch, die wirbelte und kreiste und schäumte; die verkrustetes Blut wegbrannte, Hohlräume unter dem Knochen verwachsen ließ, die das zerschundene Fleisch badete und heilte, die ersetzte, was verlorengegangen war, und die den Schädelknochen richtete und Knochensplitter wieder zusammenfügte.
Shadiths Augenlider hoben sich flatternd. Sie blinzelte ein paarmal. Aleytys setzte sich auf die Fersen zurück; registrierte beiläufig, daß die sengende Hitze verschwunden war. Sie konnte Bäume sehen, Bäume, die wie gigantische Fackeln brannten, aber die Luft um sie her war kühl. Ein Baum war in ihre Richtung gelehnt, drückte auf eine unsichtbare Barriere. Tief in ihrem Kopf kicherte Harskari: „Was wirst du machen, wenn ich den Rückzug antreten muß, Lee?”
„Sterben; sieht jedenfalls ganz danach aus”, erwiderte Aleytys.
„Danke, Mutter.”
Shadith setzte sich auf, blickte sich um. „Ay! Was ist hier passiert?”
„Man könnte sagen, ich war ein wenig ärgerlich.”
„Gab einige gute Gründe dafür. Wo steckt Wakille, die kleine Ratte?”
„Gebratene Ratte.”
„Pah! Kann nicht sagen, daß er mir leid tut. Linfy?”
Aleytys sah sich um. „Hab’ ich ganz vergessen … Er müßte okay sein, aber…”
Linfyar hatte sich ganz am Rand der Kälte zusammengekauert; so weit als möglich von ihr entfernt. Sie seufzte. „Komm her, Linfy”, bat sie ihn. Er zitterte, machte jedoch keine Anstalten, zu kommen. „Es tut mir leid, daß ich dich weggestoßen habe, kleiner Kniich, aber Shadith wäre beinahe gestorben, verstehst du? Deshalb konnte ich mich nicht um dich kümmern, und deshalb hatte ich auch keine Zeit für lange Erklärungen.” Sie streckte die Hand aus. „Komm her. Es tut dir weh. Ich mach’ dich gesund.” Es war nicht die ganze Wahrheit; sie wußte es, und vermutlich wußte er es auch. Shadith war ihr viel wichtiger als er. Jede Wahl
Weitere Kostenlose Bücher