Die Fallen von Ibex
sich; ihre Rechte tastete über den Felsen. Tief in sich suchte sie nach Harskari, doch die Zauberin hatte sich tief in die Abgründe des Diadems zurückgezogen und beantwortete keinen ihrer Rufe. Es war ein sehr eigenartiges Gefühl, die alte Gefährtin ihrer Wünsche und Bedürfnisse so verunsichert zu erleben, so niedergeschlagen, so in sich selbst zurückgezogen, und gleichzeitig dieses brennende Verlangen ausstrahlend, das die schmerzlichen Ungewißheiten, die Aleytys längst beunruhigten, noch verstärkten.
Ich weiß nicht mehr weiter, warum mich noch länger abmühen?
Ich muß meine Mutter nicht lieben, es genügt, wenn ich sie finde.
Meinen Vater habe ich bestimmt verachtet. Und sie beobachtete, wie sich silberne Linien kräuselten und über das Wasser davonschlängelten. Mein Volk. Was für ein seltsamer Haufen. Kell nannte mich Dreck. Halbblut. So viel Haß in seiner Stimme. Was spielt es für eine Rolle? Nein. Es ist wichtig. Für mich. Irgend etwas sagt mir das. Vielleicht mein Körper. Körper? Madar - ich bestimmt nicht. Kell. Einer meiner Vorfahren. UrurUrgroßvater. Und er hatte mehr als nur angedeutet, daß er der Liebhaber ihrer Mutter gewesen war. Kell, den sie auf Sunguralingu bekämpft und besiegt hatte, den sie von seiner Krankheit geheilt hatte, von dieser mörderischen Krankheit, die ihn von innen her hatte verdorren lassen. Kell, dem es gelungen war, Sunguralingu zu verlassen, und der geschworen hatte, ihren Sohn zu vernichten, der ihn fortgeholt hatte aus seiner Welt und in Stavvers Arme getrieben hatte… Stavver, der Dieb. Stavver, der den Fluch des Diadems über sie gebracht hatte. Sie starrte in die Wasser und sah sein Gesicht wie auf einem Bildschirm - Erinnerungen an damals, Erinnerungen an das Mitleid in seinen milchbraunen Augen - Mitleid, seltsamerweise eine weit größere Beleidigung als Haß oder Gleichgültigkeit hätten sein können. Damals… als er ihr sagte, daß sich ihr Sohn weigerte, mit ihr zu sprechen. Nicht einmal anschauen hatte er sich von ihr lassen wollen. Sie spürte den Schmerz dieses Augenblicks wieder, und sie scheute davor zurück, obwohl sie wußte, daß sie es verarbeiten mußte, daß sie sich damit beschäftigen mußte. Unbehaglich verlagerte sie ihr Gewicht, starrte durch das Blätterdach über sich, hinauf, in den Sprühnebel aus Sternen. Wolffs Sonne war von hier aus nicht zu sehen; sie wäre ohnehin nicht imstande gewesen, sie in diesem grellen Glanz auszumachen. Wolff. Sie rieb sich die Nase.
Wolff und Swardhelds Rückkehr dorthin. Er hätte keinen schlechteren Zeitpunkt finden können. Ein Tag vor Greys Rückkehr von seiner Jagd. Er war so müde gewesen, so schwach, er hatte sie gebraucht, mehr denn je zuvor, und da war Swardheld bei ihr gewesen. Grey. Sein stummer Zorn, und dann schließlich, seine lautstarke Verbitterung. Sie fröstelte. Schlimm. Andere Gefahren, andere Qualen, selbst andere Streitigkeiten - sie alle hatten den Vorteil, sich schnell klären zu lassen, so oder so. Hier war nichts klar, sie wußte selbst nicht, was sie wirklich wollte - nein, so stimmte es nicht, sie wollte Grey, sie liebte ihn, brauchte ihn, brauchte das Bedürfnis, das er nach ihr hatte; er bestätigte sie, gab ihr eine Perspektive, dämpfte ihr Abschweifen. Die Aussicht, ihn zu verlieren, war mit einem so heftigen Schmerz verbunden, daß sie nicht darüber nachdenken wollte. Greys Jagd-Jahre waren bald vorbei, er wollte sich dem Rat zur Verfügung stellen, hatte er gesagt, zur Abwechslung brauchte Haupt jetzt Hilfe und Unterstützung. Aleytys starrte in die Wasser, ohne sie wahrzunehmen, und überlegte, ob sie damit noch auf der Aktiv- oder bereits auf der Passivseite stand. Es gab eine Gruppe auf Wolff, eine ziemlich kleine, aber um so lautstärkere Gruppe, die sich nachdrücklich gegen ihre Anwesenheit zur Wehr setzte. Skrupellos. Gemein. Und er will ein Kind. Will mich an sich binden. Er weiß, daß ich nicht noch ein Baby verlassen und bei Verstand bleiben könnte. Sie ließ ihre Finger durch das Wasser gleiten, hob sie an und verursachte einen Regen kristalliner Tropfen. Ihre erste Mutterschaft war eine Katastrophe gewesen… Schlechte Erfahrungen… Aber sie bedauerte es nicht. Sie bedauerte es nicht, einen Sohn zu haben. Es hatte auch glückliche Zeiten gegeben, Zeiten, über die sie noch immer nicht nachzudenken wagte, weil der Verlust noch zu sehr schmerzte. Es war eine Versuchung, das gestand sie sich ein - sie würde gerne ein Kind haben von Grey. Das
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