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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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und Fels. Sie schmunzelte, als sie den Gyr mit weichen Nüstern gegen ihr Knie stupsen fühlte. Sanfte, liebevolle Wesen, diese Tiere. Sie beugte sich vor, grub ihre Finger in die Mähne, die auf dem geschmeidigen Hals sehr dicht wuchs, und lächelte wieder über sein leises, nervöses, aber sehr behagliches Grollen.
    Shadiths Stimme fiel in ihr Nachsinnen ein. „Du nimmst diese Sache nicht sehr ernst.”
    „Momentan nicht”, gab sie nach kurzem Überlegen zu.
    „Warum es nicht langsam angehen? Es gibt keine welterschütternde Dringlichkeitsstufe. Kein Grund, auf dem Geschehenen herumzureiten.”
    „Kein Grund?” Shadith hob beide Augenbrauen.
    „Schon gut, du weißt es besser, und ich auch. Aber ich behaupte trotzdem, daß ich ein ziemlich glückliches Leben führen könnte, wenn ich alles über Vrithian und meine Mutter und alles, was damit zusammenhängt, ganz einfach vergessen würde.”
    Shadith blickte sie an und sah schließlich weg. Skepsis überzog ihr Gesicht.
    Aleytys lächelte, aber dieses Lächeln verblaßte schnell. Shadiths neuer Körper, ihre zunehmende Unabhängigkeit versetzten ihr immer wieder einen Stoß und zeigten ihr Dinge an sich selbst, die sie nicht sehen wollte. Kontrolle. Sie hatte auf jede nur erdenkliche Art dagegen angekämpft, daß andere Macht über sie erlangten, über ihren Geist, ihren Körper, und sie hatte stets der Versuchung widerstanden, ihrerseits andere beherrschen zu wollen. Aber der Kummer, den sie über Shadiths Unabhängigkeit empfand, machte ihr Versagen in diesem Bemühen qualvoll deutlich. Nachdem sie die Kontrolle über Shadith durch deren Befreiung aus dem Gefängnis des Diadems verloren hatte, hatte sie jetzt alle Mühe, mit dieser Freiheit fertig zu werden, eine häßliche Sache, die sie entsetzte.
    Sie schüttelte die Depressionen ab und blickte stirnrunzelnd auf die Berge - noch ein paar Tagesritte entfernt. Es wurde Zeit, sich über das weitere Vorgehen klarzuwerden. Sie zog die Karte aus ihrem Gürtel, faltete sie auseinander und breitete sie vor sich im Sattel aus. Nachdem sie die Faulstelle lokalisiert hatte, bewegte sie ihren Finger nach Norden, fand die Straße und folgte ihr, bis sie nahe bei ihrem letzten Lager auf den Fluß traf. Dann ließ sie ihn weiterwandern, bis sie glaubte, ihren momentanen Standort ausgemacht zu haben. Nicht weit voraus überspannte eine Brücke den Fluß. Ein Teil der zerstörten Straße. Die Männer kamen aus dieser Richtung, dachte sie, zog Straße und Fluß mit ihrem Daumen nach, folgte ihnen in die Berge. Dort war die Straße nicht mehr verzeichnet, und der Fluß teilte sich um eine mandelförmige Insel von annähernd einem halben Kilometer Länge. Neben diese Insel war etwas geschrieben, in winzigen Buchstaben, schwarze Tinte auf einer nadelspitzen Feder: GEFAHR, stand da. CENTAI-ZEL. IN
    RUHE LASSEN, ODER ICH BIN TOT. Diese kleine persönliche Notiz ergab ein lebhaftes Bild von dem alten Mann, wie er sich über die Karte beugte und mit seinem feingespitzten Stift eine an sich selbst gerichtete Mahnung kritzelte. Centai-zel, dachte sie, von dort also kamen sie. Mandelförmige Insel mit einem tiefen Graben ringsum. Sie klopfte mit einem Daumennagel auf die als Passage eingezeichnete Stelle oberhalb der Insel, zog die Fingerspitze dann wieder abwärts, zur Brücke hin, folgte der zerstörten Straße nach Norden, quer über den weiten Bogen der Vorberge, bis sie auf ein anderes Tal stieß, einen Fleck, der aussah, als hätte ein Ungeheuer einen Fetzen aus der Bergkette gerissen; andere Flekken waren dort ausgebreitet, möglicherweise stellten sie Häuser dar. Ein dicker, dunkler Strich sperrte den vorderen Teil des Tales.
    Eine Mauer? überlegte sie. Was es auch war, es versperrte den Zugang zu jenem Paßweg, der weiter oben in den Bergen verzeichnet war. Sie schob ihre Fingerspitze über die Berge auf und ab. Der nächste Paß - nach Norden wie nach Süden - war mindestens zwei Monatsritte entfernt. Sie blicke finster auf die Karte hinab. Es gab kein Zeitlimit, aber die Vorräte wurden knapp, der Verbrauch grö
    ßer, jetzt, da Shadith bei ihr war. Bald würden sie ausschließlich von dem leben müssen, was ihnen dieses Land hier bot, und das konnte eine harte, mühselige Existenz werden, und dies um so mehr, wenn sich alle Eingeborenen als so feindselig erwiesen, wie jene, denen sie bisher begegnet war. Es war eine Sache, sich anzuhören, wie Hana von der unerbittlichen Feindseligkeit der hier lebenden Menschen

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