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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Abstände zwischen den Krämpfen wurden länger, und das verletzliche Flackern des Lebens in dem Körper senkte sich zu einem trägen, jedoch gleichmäßigen Brennen ab.
    3
    Aleytys tauchte das Tuch in den Topf mit Flußwasser und wischte dann noch einmal damit über das reglose kleine Gesicht, wobei sie feststellte, daß sich der dunkel gezeichnete Falkenkopf sowie dessen Bemalung unter dem Schweiß und den Tränen auflöste. Ihre Versuche, das Fieber ein wenig abzukühlen, taten ihr übriges. Doch obwohl Farbe und Feinzeichnungen mehr und mehr verschwanden, blieb der Umriß des Kopfes - hellbraune Linien, kaum dunkler als die Haut selbst, eintätowiert oder aber durch ein anderes Verfahren dorthin gebannt. Wieder schwenkte sie das Tuch im Wasser, wrang es aus und wischte damit über Shadiths Stirn.
    Besorgt sah sie auf das Gesicht hinab, das nicht mehr das Gesicht war, das sie so gut kannte. Ungeduldig hob und senkte sie die Schultern.
    Shadith gab einen leisen Laut von sich, nichts, das an die tierischen Schreie während des Anfalls erinnerte, in dessen Verlauf ihre Stimme rauh, verzerrt, häßlich geworden war. Aleytys hob das Tuch, starrte besorgt auf ihre Gefährtin hinab. Die Lider des Mädchens hoben und senkten sich; dann blieben die Augen abrupt offen. Dunkle, dunkle, schokoladendunkle Augen - ein Schock wie ein kleiner Stromstoß, Braun zu sehen, wo sie unbewußt Lavendel erwartet hatte. Es war wie bei Swardheld, ebenfalls ein Gesicht, das sie aus den Tiefen ihres Verstandes gekannt hatte; auch sein Gesicht war anders, genau wie seine Augen… sie mußte sich zwingen, sie zu erkennen, jedesmal, sooft sie ihn ansah.
    Aleytys schüttelte sich, blockte die Depressionen energisch ab und berührte die Wange des Mädchens unmittelbar unter dem Falkenbildnis. „Wieder im Sattel?”
    Shadith blinzelte. Ihre Lippen bewegten sich; waren wie ein Kindermund auf der Suche nach der mütterlichen Brust; dann breitete sich ein müdes, aber triumphierendes Lächeln aus. „Fast abgeworfen”, flüsterte sie. Ihre Hände bewegten sich, versuchten den Körper hochzustemmen; sie schüttelte den Kopf, als Aleytys sie zu überreden versuchte, ausgestreckt im Gras liegenzubleiben.
    Mit Aleytys’ Hilfe setzte sie sich auf. „Ah, das ist besser.” Sie hob die Hände, streckte sie aus, strich über die vielen kleinen Zöpfe mit ihren lauten Holzperlen. Sie lächelte, rieb sich den Bauch. „Ich habe Hunger.”
    4
    Aleytys erwachte in raunender Finsternis, ohne zu wissen, was sie geweckt hatte. Sie setzte sich auf, während ihre zusätzlichen Sinne bereits kreisförmig hinaustasteten - aber da war nichts, was ihr plötzliches Wachsein gerechtfertigt hätte. Sie lächelte, zuckte mit den Schultern, wischte Haarsträhnen aus dem Gesicht zurück und sah sich um. Allein Sternenlicht spielte mit den Schatten unter den Bäumen. Shadith lag neben ihr, in die Decken gewickelt, die sie hinter dem Sattelpolster des adoptierten Reittiers gefunden hatte.
    Hinter Shadith glitzerte der Fluß schwarz und silbrig im eisigen Licht. Aleytys schob die Fingerspitzen durch ihre Haare, rieb sich die Augen. Besser, ich schlafe wieder ein. Madar allein weiß, was morgen auf uns zukommt.
    Aber sie legte sich nicht zurück, und sie zog auch die Decken nicht um sich. Sie stand auf, ging ruhelos zu Shadiths Felsen und setzte sich. Gedankenverloren betrachtete sie die endlosen Verwandlungen des strömenden Wassers. Es war, als entferne sie sich von sich selbst, einsam, im Herabsickern des Sternenlichts verloren, tief in die Wasser hinabgetaucht. Während sich ihr Atem mit ihrem Pulsschlag verlangsamte, spürte sie ungetrübt die Müdigkeit des uralten Landes, seine Müdigkeit und seine Geduld. Jahrtausende hatte es überdauert und den Angriffen seiner Bewohner getrotzt; es war bombardiert und verbrannt und vergewaltigt woeden, vergiftet bis an die Grenze der Unfruchtbarkeit, und doch hatte es schließlich die Boshaftigkeit der parasitären Humanoiden überstanden. Langsam wuchs das Gras auf den wunden Stellen, obgleich der Heilungsprozeß noch nicht beendet war, noch lange nicht. Nässende Geschwüre überzogen ihre Oberfläche noch wie Pocken. Aber jetzt eilte es nicht mehr. Die Metalle waren verschwunden, rosteten, gingen langsam wieder im Boden auf, die letzten Panzer und Bomben und andere tödliche Maschinen hatten ihre Treibstoffe verbraucht und zerfielen, der Großteil der alten todbringenden Künste war vergessen. Zeit zum Heilen.
    Aleytys bewegte

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