Die Fallen von Ibex
Dann richtete sie sich auf. „Das Spokash ist so bereit, wie es in diesen gefährlichen Zeiten nur sein kann.” Sie strich mit einem Zeigefinger über den auf ihre Wange aufgemalten Gyr-Kopf.
„Bringt es!” Die Türmatten fielen hinter ihr herab, schwangen nach, stießen gegen die glatte Innenrinde.
Die alte Zel erhob sich, kam zu Aleytys herüber und blieb neben ihren gefesselten Fußgelenken stehen. Dann bückte sie sich mit linkischer Leichtigkeit, berührte die Ranke, summte ihr etwas zu dies alles, während sie den Rhythmus des Gesanges tief in sich fortsetzte. Sie legte die Hand neben die Ranke und wartete, bis sie sich von Aleytys’ Haut löste und sich um ihren sehnigen Arm kringelte. Daraufhin richtete sie sich wieder auf und trat bis an die Tür zurück. „Steh auf”, befahl sie.
Aleytys bewegte die Füße, zog ein Bein an und massierte die Knöchel mit ihren noch immer gefesselten Händen. Sie ignorierte die Wiederholung des Befehls und von den beiden Zel ausstrahlende Wellen der Verärgerung, massierte auch den anderen Knöchel, erhob sich dann vorsichtig und stampfte mit jedem Fuß einmal fest auf. Schließlich hob sie eine Augenbraue und grinste die junge Zel an. „Wohlan.”
Die beiden Frauen traten auseinander, entfernten sich von der Tür, schoben sich an der gekrümmten Wand entlang. Die ältere ließ lange, knochige Finger zu den Matten hinschnellen. „Geh hinaus”, sagte sie.
Mit hoch erhobenem Kopf sah Aleytys von einem bemalten Gesicht zum anderen, begab sich dann gemächlich zur Tür und lächelte kurz, als sie Harskari in sich erstarken fühlte. Sie schob die Matten mit ihren gefesselten Händen beiseite, trat in eine von Lampenschein erhellte Finsternis hinaus. Sie entfernte sich ein paar Schritte von dem Durchgang, blickte hoch.
Dort waren lebende Ranken zu einem massigen Flechtwerk verwoben, das die gesamte Lichtung abdeckte. Bauchige Porzellanlampen waren an vereinzelten Strängen aufgehängt und warfen ein mildes, bernsteinhelles Leuchten über die stumm sitzenden Gestalten, die allesamt in die recht kleine Lichtung gedrängt waren. Ein reiner, grüner Duft, der plötzlich Erinnerungen an ihre Kindheit (an die Duftkerzen, die an Feiertagen in den Nachtlampen ihres Zuhauses brannten) weckte, hingt in der Luft - ein angenehmer Geruch, der den intensiven Körpergeruch der versammelten Zel ein wenig milderte. Sie hörte das leise Rascheln der Türmatten und wußte, daß ihre Wächterinnen unmittelbar hinter ihr standen.
Eine Gasse war freigelassen, breit genug, daß fünf Personen nebeneinander gehen konnten. Am gegenüberliegenden Ende dieser Gasse - unter den vorgereckten Ästen einer anderen Baumart saßen fünf Frauen auf hohen Stühlen. Die Frauen betrachteten sie.
Die mittlere kannte sie bereits; es war die untersetzte Frau, die vorhin gekommen war und sie gemustert hatte. Zu ihren Rechten saß eine sehr alte Frau, ebenfalls mit rasiertem Kopf und bemalt, das weiße Gewand war in Falten um ihren mageren Körper gerafft.
Rechts von dieser Frau saß eine Kriegerin, die wie die meisten Zel Leder trug; sie hielt einen Stab in Händen, dessen Spitze ein kunstvolles Schnitzwerk zierte: Fest um den Mittelstamm gewundene Blätter, darauf eine Blüte mit einer dreireihigen Knospe. Die Frau links von der in der Mitte sitzenden war eine große, schlanke Person mit funkelnden Augen - die mit fanatischer Eindringlichkeit auf Aleytys gerichtet waren. Ein kurzer Bogen lag zu ihren Füßen, und in der rechten Hand hielt sie einen Pfeil, beiläufig, als unterscheide er sich nicht von jedem beliebigen anderen. Doch selbst auf diese Entfernung bemerkte Aleytys das kupferne Schimmern der Pfeilspitze, das silberne Glänzen der Federn. Metall - Metall auf dieser Welt, auf der solches praktisch nicht mehr existierte. Ein Zeichen ihrer Bedeutung. Links neben dieser Zel saß eine stille, in sich zurückgezogene Frau. Sie war schwerer einzuschätzen als die anderen. Ein beträchtliches Interesse lag in dem Blick, den sie auf Aleytys heftete, eine Art Maßnehmen. Sie war einfach gekleidet, Lederjacke, lederne Beinkleider, der Rest die übliche Zel-Aufmachung. Ein Gyr-Kopf war auf ihre Wange gemalt, und der Stab, den sie in Händen hielt, war eine Art Tier-Kompendium - ein Tierschädel war über dem anderen geschnitzt, eine bizarre Menagerie, die von einem Gyr-Kopf gekrönt wurde.
Aleytys wartete, da sie nicht wußte, ob sie weitergehen sollte.
Ihre Wächterinnen schwiegen, so bewegte sie sich
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