Die Fallen von Ibex
Verdrahtung, eine Art Programm ist. Allerdings paßt das wiederum nicht zu dem, was Esgard niedergeschrieben hat. Oder doch? Weiß nicht genug, um das beurteilen zu können.
Ihre Wolff-Implantate waren mit Energie durchtränkt, die Sensoren sammelten Daten, ohne die Zel-Wächterin auf sich aufmerksam zu machen. Sie registrierte ein Dutzend gröbere Lebensformen, die an diesem Baum vorbeikamen oder sich in dessen Nähe aufhielten. Drei oder vier weitere bewegten sich über ihr, eine Tatsache, die sie verwirrt hätte, wären da nicht ihre Erinnerungen an die Waldbewohner von Maeve gewesen. Sie warf den Zaubersängerinnen einen schrägen Blick zu und lächelte; sie wußte, sie konnte sie überwältigen, sobald sie die Ranke los war.
Die Zel saßen mit gekreuzten Beinen da und murmelten eine nahezu unhörbare Folge unsinniger Silben vor sich hin. Aleytys erkannte sie als Unsinn, da sich der Übersetzer in ihrem Kopf nicht aktivierte - und bisher war es nicht einmal den wirksamsten PSI-Dämpfern gelungen, sein Funktionieren zu unterdrücken. Die junge Frau warf ihr einen haßerfüllten Blick zu, wandte sich dann dem ständig wiederholten Reiben ihres Daumens auf einem kleinen, glänzenden Speckstein zu. Ihre Lippen formten weiterhin jene unsinnigen Silben und kosteten sie gleichermaßen mit einem bizarren Triumph.
Sie erhob sich langsam in eine sitzende Stellung, verlagerte ihr Gewicht auf die linke Seite ihres Hinterteils und schwenkte die gefesselten Füße herum, so daß sie die darum geschlungene Haftranke erreichen konnte. Sie fühlte sie pochen und vage zucken, als sie mit den Fingerspitzen über die zuoberst liegenden Windungen strich, und sie reizte die Ranke noch mehr, zerrte daran, aktivierte die in ihr Fleisch integrierten Zugfasern, mit denen sie die Betäuber auslösen konnte (die dazugehörigen Mikroprojektoren schmiegten sich flach unter ihre Nägel); weitere implantierte künstliche Nervenfasern verliefen in ihren Armen und in einem komplizierten Netzwerk über ihren ganzen Körper. Hauptsächlich jedoch hatten sich die Wolff-Chirurgen mit ihrer Mikro-Magie auf ihre linke Hand konzentriert, die unbedeutend ungeschickter und schwächer war als die rechte. Im Grunde genommen war sie sowohl Rechts- wie Linkshänder, letzteres nur nicht ganz so vollkommen - es gab einen meßbaren winzigen Unterschied zwischen den Fertigkeiten ihrer rechten und ihrer linken Hand. Jetzt strich sie mit der Rechten (und mit ihren Hitze- und Tiefensensoren) über die Windungen und versuchte in einer Kombination aus aktiver und passiver Wahrnehmung in die Ranke vorzudringen.
Doch die Zel an der Tür bemerkte schnell, was sie vorhatte, und zog das Netz um ihr Gehirn erbarmungslos an.
Sie stieß die Luft aus, streckte die Beine aus und überlegte, wie sie der zunehmenden Langeweile ein Schnippchen schlagen konnte - diesem Nichtstun, das fast so betäubend war wie der Drogenrausch.
Sie versuchte noch einmal, Harskari zu erreichen. Doch wie auch zuvor war da nichts.
Sie betrachtete die Zel. Die Bemalung auf ihren rasierten Köpfen zeigte ein kompliziert verknüpftes Flechtwerk von Ranken, über die Augenpartien zogen sich Blumen, Insekten; auf den freien Stellen dazwischen waren weitere Tiere hervorgehoben. Die Zeichnungen auf den Köpfen der beiden Zel war ähnlich, aber nicht völlig identisch. Die Motive waren dieselben, jedoch die Hände, die sie gezeichnet hatten, gehörten eindeutig verschiedenen Künstlern. Auf dem Kopf der Älteren gab es eine Unzahl von zierlichen, beinahe übertrieben detailgetreuen Kleinigkeiten -ausgeführt in zart schattierten Farben. Bei der anderen waren die Farben kräftig und die Darstellungen allein von der geschickten Hand des Künstlers vor einer Katastrophe bewahrt. Die Kleider der Frauen waren schlicht, einfach geschnitten- sehr im Gegensatz zu den sorgfältig gefertigten Lederjacken der Kriegerinnen. Zwei Rechtecke aus grob gewobenem weißen Tuch, oben und an den Seiten zusammengenäht; für Kopf und Arme waren Löcher freigelassen worden. Es gab Falten und Flecken auf diesem Weiß, besonders unterhalb des um die Hüfte geschlungenen und verknotenen Gürtels. Handgewebt, ungleichmäßig, Gewebe der einfachsten Art, keinerlei Stickerei. Die Kleider waren nicht einmal gesäumt; vereinzelte Fäden hingen aus dem unregelmäßigen Rand, gelb verfärbte Grasstücke wurden von Stoffasern gehalten. Die Schlichtheit mußte beabsichtigt sein, mußte zusammenhängen mit ihrer Berufung, ihrem Talent.
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