Die Fallen von Ibex
nicht? Weil sie verbrannt sind und verkohlt und tot!” Das letzte Wort schrie sie hinaus, dann unterband sie das Gemurmel der Menge mit einem leiseren Trommelwirbel. „Fragt die Tranjiti Milice und Juli, wie es sich ständig windet, wie es ständig prüft und gegen die Dinge kämpft, die es bannen, gegen den Rauch und den Grünfreund an den Fußgelenken und den Händen, gegen die Lautlos-Gesänge. Nicht eine Tranjit, sondern deren zwei sind vonnöten, und das, obgleich das Es hungrig und durstig und schwach ist. Fragt die junge Juli, wie es einen uralten Geist heraufbeschwört, welcher im Innersten des Es-Wesens lebt. Das Es ist Dämonenbrut. Bittet die Falkenmeisterin, Zeugnis abzulegen - sie, die gegen das Es in dem Vogel gekämpft und verloren hat. Es ist zu gefährlich; es darf nicht länger unter uns behalten werden. Wir wollen es nicht, ich spreche für die Tranjitisve, welche die Präsenz des Es-Wesens ertragen müssen. Wir wollen diese Last nicht, nicht für ein Jahr, nicht für einen Monat, keinen Tag. Tötet es. Ich habe gesprochen.” Ohne darauf zu warten, daß die in der Mitte Sitzende die Trommel entgegennahm, reichte die Tranjit Masliche sie der Frau rechts neben sich. „Der Veril Savilis spricht mit mir.”
Die Pflanzenhirtin nahm die Trommel, ohne sie zu schlagen; sie hielt sie nur und sagte ruhig: „Tötet das Es. Wir brauchen kein wildes Blut.” Damit reichte sie die Trommel zurück.
Die Mittlere bedachte die Transjit mit einem finsteren Blick, als sie die Trommel entgegennahm. Die Frau wich diesem Blick aus, den Kopf gesenkt, die Augen auf den groben, weißen Stoff gerichtet, der sich über ihren Knien bauschte. Die Trommelbewahrerin seufzte und hielt das Instrument mit beiden Händen vor sich. „Die Ranjit Sursa spricht.”
Die Kriegsführerin nahm die Trommel und schlug sie mit der Silberspitze des zeremoniellen Pfeiles an; daraufhin senkte sie sie mit einem Ruck auf ihre Knie hinab. „Wildes Blut, pah!
Wonach sonst durchkämmen wir die Ausläufer der Faulstellen, wenn nicht nach wildem Blut zur Bereicherung unseres überlieferten Wissens und unserer Zahl an Grün-Freunden? Wonach suchen wir, wenn wir auf Beutezüge ausreiten, wenn wir die Zucht-Es fangen und Töchter rauben. Wonach, wenn nicht nach wildem Blut, um das Ziel zu segnen? Wenn wir es für unser Grün und für uns selbst erstreben, wie können wir nicht frohlokken, jetzt, da uns die Herrin und der Zufall einen solchen Segen zuteil werden ließen? Ich sage euch, Zel, gebt mir drei großgezogene Zel von der Art dieses Es-Wesens, das so ruhig und beobachtend und bereit steht! Seht es euch an, ihr alle, seht es an! Gebt mir drei solche Zel, und das Ziel wird noch in meinem Leben erreicht sein! Die verfluchten Losigai wären von Centillas Antlitz gefegt, die Welt wäre gereinigt, die Größe des Zel-Geistes würde sich ausweiten über die Haut der Großen Mutter.
Ich sage, nehmt es zur Zucht. Macht, was getan werden muß, um es ungefährlich zu machen, doch laßt es euch Töchter schenken.
Wenn ihr, Zel, das Urteil sprecht, so würde ich die Meine beanspruchen, eine Tochter, um meine Geliebte zu ersetzen, meine vor kurzem getötete Ranjit Treainah. Erfüllt diesen Wunsch.
Macht das Es zu einer der Unseren. Damit wir das Ziel in unser aller Lebenszeit verwirklicht sehen, nicht in einer fernen Zukunft, da wir alle bereits eins sind mit dem Grün. Möge das Ziel erfüllt werden. Ah hai”
„Das Ziel, ah hai” wiederholten die Zel pflichtgetreu. Immer wieder huschten ihre Blicke zu Aleytys. In ihren Reaktionen glaubte sie mehr Zweifel und mehr Begeisterung zu erkennen als vorher.
Aleytys preßte die Lippen aufeinander; keines der für sie vorgeschlagenen Schicksale begeisterte sie. Sie hielt den Kopf schräg geneigt, betrachtete das Geflecht über sich. Die ineinander verflochtenen Ranken lagen in mehreren Schichten und bildeten so eine feste, elastische Decke. Jedoch dicht am Stamm des Gefängnisbaums entdeckte sie mehrere welke, modernde Ranken und ausgefranste Löcher. Ein bißchen Glück, um die allgemein trüben Aussichten aufzuhellen - nun, vielleicht weniger Glück als die Auswirkungen des Rauches, der sie benommen machen sollte. Die Hitze und der Rauch hatten die Ranken angenagt und genügend abgetötet; wenn sie sich entschloß, diesen Weg zu nehmen, hatte sie freien Zugang in die Baumkronen. Aber der Schaden war groß
- zu groß für einen Tag. Anzunehmen, daß auch die gefangenen Männer jeweils in diesem Baum
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