Die Fallen von Ibex
Knurren hoch. Lange Zweige peitschen aus der Dornenhecke heran, schlagen auf sie ein, krallen sich an ihr fest, versuchen, sie von dem Baum herunterzuzerren. Irgendwie kommt sie frei. Der Baum erzittert, windet sich, strahlt Alarmimpulse aus, versucht sie abzuschütteln. Sie klettert weiter wie eine verängstigte Katze, kriecht über einen wie von Sinnen peitschenden Ast hinaus, schleudert einen Geistimpuls - NOT - in die Nacht hinaus, schreit Shadiths Namen hinterher und stößt sich ab, springt von dem bockenden Ast hinab in den nördlichen Flußgraben.
Schmerzen. Ein Pfeil in der Schulter, die Verwirrung in ihrem Kopf nimmt zu, ein alles verbrühender Haß bricht in sie ein. Gift.
Die Pfeilspitze. Sie knirscht mit den Zähnen, wirbelt um die eigene Achse, schwemmt das Gift mit einem jähen Konterschlag ihrer Heilerfähigkeiten davon. Neue Schmerzen. Und wieder. Ein Pfeil in ihrer Seite, ein Pfeil in ihrem Oberschenkel.
Sie schlägt in das Wasser, die Füße nach unten, ringsum prasselt und spritzt Nässe, sie sinkt, der Atem wird aus ihren Lungen gedroschen. Keine Zeit, darauf zu achten. Das Gift wühlt in ihren Eingeweiden. Sie kann sich nicht orientieren, kann oben nicht mehr von unten unterscheiden und kann sich auch nicht damit befassen. Sie setzt den Energie-Pool ein, spült das Gift aus. Kann nichts gegen die Pfeilspitzen unternehmen, die in ihrem Fleisch sitzen.
Ihre Lungen brennen. Die Strömung zerrt an ihr, wirbelt sie herum, daß sie unfreiwillig keucht, zuviel Wasser schluckt, aber dann gelingt es ihr, sich zu fangen, dann quält sie sich verzweifelt ab, bis ihr Kopf beinahe zufällig die Wasseroberfläche durchbricht.
Sie hustet und würgt, schnappt keuchend nach Luft, müht sich ab, nicht mehr nach unten wegzusacken. Noch immer schwirren Pfeile durch die Luft, klatschen ins Wasser. Aber sie ist ein kleines, bewegliches Ziel, und alle weiteren Pfeile verfehlen sie. Die Strömung hat sie gepackt und reißt sie mich sich davon, und sie versucht, das Schaben der Pfeilspitzen und den Schmerz zu ignorieren, sooft sie Schwimmbewegungen macht oder eine Hand ausstreckt, um gegen die Strömung anzukämpfen und das Nordufer zu erreichen.
12
Shadith zuckte im Schlaf zusammen.
(Aleytys. Nackt. Flieht.
Flieht unter Alptraumbäumen, die nach ihr schlagen und schnappen.
Flieht vor einer dunklen Woge des Zorns, flieht vor dem PSI-Pool, der sich aufbäumt, um über ihr zusammenzubrechen.
Aleytys, die sich an einem Baum hocharbeitet, ein Baum, der sich unter ihr windet und krümmt.
Aleytys, die in die Tiefe stürzt, die Füße voran, die in den Fluß stürzt, mit Pfeilschäften gefiedert.)
Shadith schwitzt im Schlaf.
(Wasser schließt sich über wehenden, seidigen Haaren.
Minuten vergehen. Aleytys, wie sie hochgewirbelt wird, die Wasserfläche durchbricht, wie sie von der Strömung ergriffen wird.)
Mit einem Ruck erwacht Shadith, keuchend und schweißnaß.
Ein Alptraum, jedoch schnell verblassend, gerade so, wie alle Alpträume entfliehen, sobald der Träumende erwacht. Sie setzte sich auf, wischte sich mit dem Armrücken übers Gesicht und dachte über ihren Traum nach. „Vorahnungen”, murmelte sie, verzog die Lippen und starrte sinnend in die Dunkelheit unter den Bäumen. „Wie auch immer - besser einmal zu oft, als einmal zu wenig nachsehen.” Sie erhob sich mit einem Ruck und beeilte sich, die Decken zusammenzurollen und die Satteltaschen zu packen. Dann hielt sie inne und blickte stirnrunzelnd auf das Bündel. „Könnte gejagt werden. Vielleicht aber auch nicht. Besser, wenn ich ein Versteck habe.” Sie schulterte Satteltaschen und Gürtel und kletterte auf einen Laubbaum, der verblüffende Ähnlichkeit hatte mit einer Flußeiche der Talniederungen.
Sie verbarg ihre Ausrüstung in einer Astgabel, hoch genug, um vom Boden her nicht gesehen werden zu können, und kehrte wenige Augenblicke darauf mit den Deckenrollen zurück. Wieder auf dem Boden, verteilte sie Laub rings um den Baum, scharrte mit einem morschen Zweig weiteres Laub kreuz und quer über die Lichtung und hinterließ sie - oberflächlich betrachtet-, wie sie sie angetroffen hatte. Einen kundigen Spurensucher würde sie damit nicht täuschen können, aber jeder Unkundige würde auf den Trick hereinfallen.
Minuten später jagte sie ihre Gyr die Straße entlang (das zweite Tier im Schlepptau) und fand dennoch Gelegenheit, ein Lied zu singen. All ihre Heimlichkeiten hatten nichts erbracht; vielleicht tat es jetzt die Kühnheit. Wie
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