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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Doch sobald sie die Stra
    ße hinter sich ließen, beruhigten sich die aufgewühlten Elemente; die Gyori fielen mit erleichertem Schnauben wieder in ihre gewohnte Gangart und stießen sich gegenseitig mit weichen Nüstern an. Auch ihre Reiterinnen wurden mit solcherlei Zärtlichkeiten bedacht.
    Shadith schnalzte ihrem Tier zu und versuchte es zu einer schnelleren Gangart zu bewegen, doch es war zu müde, um darauf noch zu reagieren. Sie warf Aleytys einen nachdenklichen Blick zu, seufzte und begnügte sich schließlich damit, sich in Geduld zu fassen, bis die Lichtung endlich erreicht war, wo - hoch in den Bäumen - ihre Ausrüstung verborgen war.
    Mit einem leichten Schenkeldruck brachte sie das Gyr zum Stehen, schwang ein Bein hoch und über den Rücken des Tieres, dann glitt sie hinab, rannte zu Aleytys hinüber und ergriff die Zügel.
    Aleytys’ Gesicht war gerötet. Es fiel genügend Sternenlicht über sie, um dies deutlich erkennbar zu machen. Ihre Augen verdrehten sich. Es war, als verstehe sie nichts von dem, was rings um sie her geschah. Shadith tätschelte ihre Wangen, berührte schließlich den Pfeilschaft, der aus ihrem Oberschenkel ragte; Aleytys reagierte nicht. Shadith fluchte, kaute auf der Unterlippe, hob dann den Kopf. „Harskari!” rief sie. „Hilf mir! Schaff sie von diesem Gyr herunter. Sie muß sich hinlegen.”
    Die Stille dauerte an. Aleytys’ Körper bewegte sich nicht. Shadith fluchte wieder, war verärgert über Harskaris extremes Zögern, den Körper der Gefährtin zu übernehmen. Sie zappelte von einem Fuß auf den anderen, versuchte, sich etwas anderes einfallen zu lassen. Sie mußte etwas tun - mußte etwas unternehmen. Aber ihr fiel nichts ein. Ihr Körper war zierlich und leicht, und viel zu schwach. Wenn sie Aleytys von ihrem Gyr herabzuheben versuchte, gab das eine Katastrophe. Sie würde sie nicht halten können. Möglich, daß die Pfeilspitzen bei einem neuerlichen Sturz verheerende Wunden hervorriefen.
    Aleytys’ Kopf wandte sich. Ihre Lippen bewegten sich. „Dekken.”
    Shadith verfluchte ihre flatterhafte Dummheit, rannte zu dem Baum und erklomm ihn in Windeseile. Sie warf die Deckenrolle hinab, kehrte dann - mehr rutschend als kletternd - zurück.
    Aleytys stand neben dem Gyr und hielt sich am Sattelpolster fest. Das Diadem strahlte ein feines Klimpern aus, war phantomhaft in Aleytys’ nassen Haaren zu sehen, geisterhafte Reflexe, helle Schimmer im Dunkel des nassen Rots. Ihr Gesicht war maskenhaft starr; offenbar weigerte sich Harskari, mehr als unbedingt nötig einzugreifen.
    Shadith breitete eine Decke aus, behielt die andere zurück.
    Harskari ließ Aleytys’ ein paar Schritte weit taumeln und in der Mitte der Decke in die Knie gehen. Aleytys’ Kopf drehte sich. „Die Pfeile, Shadith… schieb sie durch!… Die Spitzen … sie haben Widerhaken. Man kann sie nicht herausziehen. Du mußt es tun.
    Ich… kann nicht…” Die Lippen verzerrten sich, schienen ein Wort formen zu wollen und blieben doch stumm; die Zunge flatterte an der Oberlippe entlang, dann sprach Harskari mit Aleytys’ Stimme weiter. „Schieb sie durch, ich gebe dir Anweisungen, damit du nicht allzusehr wühlen mußt. Nicht den Pfeil in der Schulter, den wirst du herausschneiden müssen. Knochen im Weg.” Aleytys’
    Augen schlossen sich, der Körper sank in sich zusammen und straffte sich gleich darauf wieder- die Anstrengung spannte Gesichts- und Halsmuskeln. „Brauche Verbandsmaterial, antiseptisches Puder. Beeil dich. Ihre Kraft versiegt rasch. Ja, besser, du beeilst dich.”
    Mit einem halb geschluchzten Fluch hastete Shadith davon, erkletterte den Baum ein drittes Mal und kehrte mit Satteltaschen und dem Gürtel zurück. Beeilung. Beeilung. Das Wort trommelte in ihrem Gehirn. Sie spürte eine schreckliche Angst, als sie darüber nachdachte, was sein würde, wenn Aleytys starb - schreckliche Angst und riesengroßen Kummer. Aleytys war alles, was sie hatte.
    All ihre Angehörigen tot und vergangen. Allein. Nicht auch noch Aleytys und Harskari, ja, Harskari auch, wenn Aleytys starb.
    Allein.
    Aleytys’ Körper war noch immer auf den Knien, jedoch in sich zusammengesunken wie eine von der Sonnenwärme aufgeweichte Wachsfigur. Shadith ließ ihre Last fallen und holte Wasser.
    An die folgende halbe Stunde wollte sie sich nie mehr erinnern, aber schließlich war die Aufgabe erledigt, waren Pfeilspitzen und Schäfte beiseite geschleudert, die Wunden verbunden, selbst das scheußliche Loch in

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