Die falsche Braut für Ewan? (German Edition)
geringste Chance, deiner Schwester diesen Lump auszuspannen. Und daran werden auch Korsetts, hübsche Hüte und ausgefallene Frisuren nie etwas ändern!
Claires Inneres verkrampfte sich, als hätten unsichtbare Hände die Schnüre ihres Mieders noch enger gezogen. Sie streckte sich zu ihrer vollen Größe und schob das Kinn vor. Zu seinen Lebzeiten hatte sie ihrem Vater nie die Genugtuung gegeben, ihm zu zeigen, wie sehr sein ständiger Tadel sie verletzte. Sie hatte nicht vor, das zu ändern, nur weil er tot war.
Dennoch ist durchaus etwas Wahres an dem Gedanken, gab sie zu, und öffnete ihren Sonnenschirm, um sich vor dem fröhlich grellen Schein der Sonne zu schützen. Sie erwartete auch nicht, dass sie Ewan Geddes mit ihrem Aussehen für sich gewinnen würde, sondern mit ihrem Geld.
Wenn sie ihn erst einmal hatte wissen lassen, wie wenig Reichtum Tessa selbst besaß, würde er zweifelsohne seinen Kurs auf ein lukrativeres Ziel richten. Trotzdem wollte Claire ihm diese Aussicht nicht allzu widerwärtig erscheinen lassen.
Sie fragte sich, wie spät es mittlerweile eigentlich war. Sie wühlte in ihrem Pompadour und förderte eine große Golduhr zu Tage, die einst ihrem Großvater gehört hatte. Sie konsultierte das schwere alte Chronometer und suchte dann in dem geschäftigen Treiben am Kai nach irgendeiner Spur von Ewan Geddes.
Da war er! Eine Welle der Erleichterung erfasste Claire.
Er schritt über den Kai, mit ein paar eifrigen Gepäckträgern im Gefolge. Dann hielt er einen Augenblick lang inne und ließ suchend seinen Blick über die Schiffe diverser Bauart gleiten, die dort dicht gedrängt lagen. Claire konnte genau erkennen, in welchem Moment er die Marlet fand, denn er zuckte sichtlich zusammen und ging dann zielstrebig auf die Yacht zu.
Der Tumult in Claires Innerem war schlimmer denn je. Sie war eine Närrin gewesen, einen solchen Aufwand zu treiben, um sich für Ewan Geddes zu verschönern. Ohne Zweifel würde er ihren armseligen Plan sofort durchschauen und sie auslachen, weil sie auch nur versucht hatte, ihn Tessa auszuspannen. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie unter Deck gehen sollte, um sich dort unter dem Vorwand irgendeiner vorgetäuschten Unpässlichkeit zu verstecken.
Dann fiel ihr wieder ein, was alles auf dem Spiel stand – Tessas und Spencers Glück ebenso wie das Wohlergehen des Unternehmens, das ihr Großvater ihr anvertraut hatte. Sie konnte nicht kampflos aufgeben.
Sie widerstand dem Drang, ihren Hut noch ein letztes Mal zurechtzurücken, und ging zur Landungsbrücke, als Ewan Geddes heraufkam.
"Willkommen an Bord!" rief Claire lächelnd – und überrascht, wie wenig Überwindung es sie kostete. "Ich hoffe, Sie hatten keine allzu großen Schwierigkeiten, uns zu finden?"
"Gar keine." Er nahm den Hut ab und beugte sich über die Hand, die sie ihm entgegenstreckte. "Es tut mir Leid, dass ich so spät komme. Ich musste mich noch um einige dringende geschäftliche Angelegenheiten kümmern. Ich hoffe, ich habe nicht alle warten lassen."
"Ganz im Gegenteil." Es gelang Claire mit einigem Widerwillen, ihm ihre Hand zu entziehen. "Ich bin selbst erst vor kurzem angekommen, und von Tessa und ihrer Mutter ist noch keine Spur zu sehen. Ich schätze, sie werden auch bald hier sein."
Sie wies ein Besatzungsmitglied an, den Gepäckträgern zu zeigen, wohin sie Ewans Truhe bringen sollten. Als sie sich ihm wieder zuwandte, bemerkte sie, dass er sie mit einem durchdringenden und irgendwie verwirrten Blick anstarrte.
Sie fasste sofort mit der Hand nach ihrem Haar. "Entschuldigen Sie. Ist irgendetwas?"
Ewan antwortete mit einem entschiedenen Kopfschütteln und einem Lächeln, das Claires Knie hätte weich werden lassen, wenn sie es nur zugelassen hätte. "Ganz im Gegenteil, Miss Talbot. Ich dachte nur gerade, dass die Frau glücklich sein muss, die von sich behaupten kann, dass zehn verstrichene Jahre sie nur noch hübscher gemacht haben."
Mächtige, widerstreitende Gefühle kämpften in Claires Innerem gegeneinander. Süße, schwindelige Freude darüber, endlich die Art von Komplimenten zu bekommen, auf die sie zehn Jahre lang gewartet hatte. Ein Funken Triumph darüber, dass all ihre lächerlichen Vorbereitungen nicht umsonst gewesen waren.
Beide Gefühle wurden von der bitteren Gewissheit vergiftet, dass Ewan Geddes ihr nur schmeichelte, um seine eigenen, selbstsüchtigen Ziele zu verfolgen, wie so viele andere skrupellose Männer vor ihm. Anders als diese Männer hatte er
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