Die falsche Braut für Ewan? (German Edition)
ihre Stiefmutter zu ihrem Besuch veranlasst hatte … oder ihrem plötzlichen Heulkrampf.
Geldsorgen? Das konnte es nicht sein. Egal welche Unstimmigkeiten sie mit der Frau hatte, Claire musste zugeben, dass Lady Lydiard sich mit ihrer großzügigen Rente stets bequem eingerichtet hatte.
"Soll ich Mr. Catchpole rufen und ihm sagen, dass wir doch Tee möchten?" fragte sie, eine Spur von Verzweiflung in der Stimme.
Sie fand, dass das Ritual des Teetrinkens in unbehaglichen gesellschaftlichen Situationen oft für eine Ablenkung sorgte. Auf die momentane Situation passte diese Beschreibung jedenfalls eindeutig.
"Kein Tee." Lady Lydiard unternahm sichtlich eine Anstrengung, sich zusammenzureißen, als sie sich auf den Stuhl vor Claires Schreibtisch setzte. "Ich will dich nicht lange von … was auch immer du gerade tust abhalten."
Claire schluckte eine spitze Antwort herunter. Die Arbeit, die sie für Brancasters Marine Works verrichtete, war mit Sicherheit mindestens ebenso wichtig wie die Dinge, mit denen die meisten Frauen ihrer Schicht sich üblicherweise die Zeit vertrieben.
"Ich brauche deine Hilfe!" Die Worte brachen wie ein Schuldgeständnis aus Lady Lydiard heraus. "Es ist wegen Tessa. Sie hat Zweifel wegen der Hochzeit mit Spencer!"
War das alles? Claire lachte erleichtert, als sie sich wieder hinter ihren Schreibtisch setzte.
"Tessa hat zum zwanzigsten Mal Zweifel wegen der Hochzeit mit dem armen Spencer. Es wird zwangsläufig immer schlimmer, wenn der Tag näher rückt. Bereite dich schon mal darauf vor. Aber sie wird es trotzdem durchziehen. Der gute Spencer ist genau die Art von verlässlichem Kerl, die sie braucht. Ich vermute, dass sie das allen Zweifeln zum Trotz in ihrem tiefsten Inneren auch weiß."
Claires Meinung nach störte es zudem kein bisschen, dass die Verbindung auch aus geschäftlichen Gründen herrlich sinnvoll war. Spencer Stantons Familie besaß eine große Reederei, die zu Brancasters besten Kunden zählte. Außerdem hatte Tessa ihre Debütantinnenzeit längst hinter sich gelassen. Ihre unkonventionelle Art hatte weniger standhafte Freier schon vor Jahren abgeschreckt.
"Diesmal ist es anders!" beharrte Lady Lydiard. "Es gibt da einen anderen Mann, in den sie heftig vernarrt ist. Aus … Amerika." Sie sagte das Wort, als wäre es eine Beschimpfung. "Gillis heißt er … oder war es Getty? Egal. Ich bin überzeugt, dass er ein Mitgiftjäger ist."
Die Anspannung, die wieder aus Claires Körper gewichen war, kehrte zurück und war stärker denn je.
Sie würde die schmerzhaften Worte nie vergessen, die ihr Vater an einem Abend vor zehn Jahren zu ihr gesagt hatte. Meine Liebe, du bist zu reich, zu klug und zu unansehnlich, als dass irgendein Mann dich je wollen würde, außer vielleicht deines Geldes wegen.
Sie hatte ihm nicht glauben wollen. Welches Mädchen in ihrem Alter hätte das schon getan? Die Männer, die ihr über die Jahre hinweg den Hof gemacht hatten, ließen jedoch die Überzeugung in ihr wachsen, dass die harten Worte ihres Vaters der Wahrheit entsprachen.
Also hatte sie ihre wenigen, bescheidenen Illusionen tief in ihrem Inneren vergraben, zusammen mit dem wehmütigen Wunsch nach einer Familie. Über die Jahre hatte sie all die Zeit und die treue Hingabe, die sie sonst vielleicht einem Ehemann und Kindern geschenkt hätte, Brancasters gewidmet. Im Gegenzug hatte das Unternehmen ihre Zuwendung mit Wachstum und Wohlstand belohnt.
Und verdammt noch mal, sie würde nicht zulassen, dass dies alles jener verabscheuungswürdigsten aller Kreaturen zum Opfer fiel – einem Mitgiftjäger! Vor allem nicht einem, der versuchte, sich zur Hintertür hereinzuschleichen, indem er ihre Halbschwester benutzte.
"Ich werde mit Tessa reden." Claire sagte das mit einer solchen ernsten Entschlossenheit, als würde ihr Eingreifen zwangsläufig alles in Ordnung bringen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass sie als Stimme der Vernunft den kapriziösen Anwandlungen ihrer Schwester entgegentrat. Hinterher war Tessa stets dankbar. Manchmal schien sie sich auf eine seltsame Weise geradezu danach zu sehnen, dass Claire sie wieder zurück auf den Boden der Tatsachen holte, selbst während sie sich noch in den Fängen irgendeiner neuen Schwindel erregenden Faszination befand.
"Ich habe bereits mit ihr gesprochen." Lady Lydiard umklammerte ihr Taschentuch. "Es ist sinnlos. Sie will einfach nicht zuhören. Sie ist völlig vernarrt in diesen Kretin, sage ich dir. Gott sei Dank ist Spencer gerade
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