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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Mackowski
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gewann.
    Die restlichen Kleidungsstücke ließ sie verstreut am Boden liegen. In der Redaktion der Tageszeitung Faktum, für die sie zwischen lauter Ja-Sagern als Reporterin arbeitete, erschien sie immer völlig unspektakulär. Meistens in schwarzweiß, weite Schnitte, das sah einfach cooler aus. Die anderen brauchten schließlich nicht zu wissen, dass ihr das Leben manchmal so vorkam, als würde es in einem unleserlichen Schnelldurchlauf vorbeiziehen.
    Vera ging in die Küche und fütterte Ben mit klitzekleinen Bissen Wurst. »Machs gut, Kleiner«, sagte sie und streichelte zärtlich über den weichen Kopf ihres Katers.
    Wenig später stand sie fluchend im Hausgang, fummelte an ihrem Schlüssel rum. Das Schloss klemmte. »Na komm schon.«
    Eine tiefe Stimme hinter ihrem Rücken, rau wie Schmirgelpapier, brachte sie aus dem Takt.
    Der Schlüssel drehte sich endlich.
    »Das waren Sie doch gestern, oder?«
    Vera sah sich um. Da stand er, ihr Nachbar. Er fuhr sich verlegen über den Kopf, ein schräges Grinsen im Gesicht.
    »Jaaaa«, sagte sie langsam, »ja, das war ich.«
    Vera Kirchner streichelte über ihr T-Shirt und begann an den Knöpfen ihrer Jacke rumzufingern.
    »Alles wieder okay?«, fragte sie.
    Er sagte nicht gleich was.
    »Alles okay«, antwortete er.
    »Vollkommen okay.«
    »Bist wohl nicht von hier?«, fragte sie.
    »Doch«, sagte er, »und du?«
    »Mutter aus Nigeria, Vater aus Wien, reicht das?«
    François nickte. Sie bohrte nicht weiter.
    Egal, woher der Typ kam, er war ihr sympathisch, richtig vertraut. Schließlich hatte sie ihn gerettet, so was verbindet.
    »Dachte schon, da würde irgend so ‘n Bekloppter rumballern. Was war denn los mit dir?«
    »Stress, zu viel Alkohol, was weiß ich«, sagte er, nannte seinen Namen und hielt ihr die Hand hin. Es war kein richtiges Händeschütteln, eher ein flüchtiges Zwacken, so, als wollte man sich eigentlich doch lieber nicht anfassen.
    »Vera«, sagte sie, »erinnerst du dich?«
    »Nein, nicht an deinen Namen«, sagte er.
    »Ich bin mitgefahren im Krankenwagen, du warst ganz schön weg.«
    Vera sah zu Boden. Seine Unsicherheit machte sie unsicher.
    »Vor kurzem hab ich hier öfter so ‘n dämlichen alten Sack gesehen. Der hat tagelang seinen stinkenden Abfall vor der Haustür stehen gelassen und dann wütend meinen Kater verscheucht, wenn er daran geschnuppert hat. Ben mag nun mal am liebsten Zunge. Zunge, bah, widerliches Zeug.«
    »War mein Vater«, sagte François. »Vor zehn Tagen hops gegangen.«
    »Tut mir Leid.«
    »Blödsinn. Ich wohn jetzt hier«, sagte er.
    Vera begann ihre Fühler auszustrecken.
    Wer war François?
    Erstens sah er, ein wenig zu schüchtern vielleicht, aber doch unverkennbar nach Mann aus, was man von dem Exemplar, das in ihrem Bett lag, nicht gerade behaupten konnte, und zweitens war er ihr in die Arme gefallen.
    In Filmen war das immer umgekehrt, dachte Vera. Sie konnte sich an keine Szene erinnern, in der ein Mann so mir nichts dir nichts ohnmächtig in die Arme einer Frau gesunken wäre.
    Vera, die als Freie für Faktum arbeitete, wenig verdiente und deshalb nachts Taxi fuhr, witterte Stoff, irgendeine spannende Geschichte. In der Redaktion war Saure-Gurken-Zeit. In der Stadt vor Weihnachten nichts los außer Kerzenschein und Shopping.
    Veras Gehirnzellen arbeiteten. Warum hatte er geschossen? Sie wollte alles wissen, Fragen stellen, aber vorsichtig. Sie musste vorsichtig sein.
    »Gehen wir was trinken?«, fragte sie.
    Vera lächelte und tastete in Gedanken seinen Körper ab, die breiten Schultern, seinen Waschbrettbauch und das gegerbte, vernarbte Gesicht. Sie verfiel seinem melancholischen Blick. Es war zu spät, um sich noch aus der Affäre zu ziehen. Es gab auch gar keinen Grund dafür.
    »Wolltest du nicht gerade wohin?«, fragte François.
    »Hat Zeit«, sagte Vera. »Nehmen wir mein Diensttaxi und kurven ein bisschen in der Stadt rum. Willst du?«
    François wollte.
    Als sie erfuhr, dass er einen Job brauchte, bot sie ihm an, bei der Zentrale nach ein paar Fuhren für ihn zu fragen. Schwarz und ohne Schein natürlich. Sie dachte, dass sie Kollegen sein würden. Nachbarn und Kollegen. Alles weitere würde sich ergeben.
    Nach zwei Runden auf dem Ring fuhr Vera Kirchner zu einem ganz bestimmten Würstelstand und parkte ihr Taxi auf einem schmalen Parkstreifen gegenüber der Staatsoper.
    »Appetit?«
    François nickte.
    »Der an der Oper ist der Beste«, sagte sie. Dann ließ sie den Mercedes mit laufendem Motor stehen,

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