Die falsche Frau
ohnmächtig werden?
»Zeit, dass wir uns kennen lernen.«
Vera drehte sich um.
Ein alter Sack, aufgeputzt wie ein Zirkusdirektor, kam mit Riesenschritten auf sie zu und hielt ihr ein Glas mit Eiswürfeln unter die Nase.
»Wodka-Sour?«, fragte sie abfällig und wusste im selben Moment, wen sie vor sich hatte. Das war der aus dem Hammam, dieser fette Russe. Hatte Semir nicht von einem Marian gesprochen?
»Wodka-Sour ist nicht mein Fall«, sagte sie.
Der Fette war ihr so nahe gekommen, dass sich ihre Nasenspitzen berührten.
»Lassen Sie uns anstoßen«, sagte er übertrieben höflich. »Auf Ihren Erfolg! Was sage ich: Auf unseren Erfolg!«
Vera stutzte. »Unseren Erfolg?«
Dann griff sie zu und nippte doch an dem Glas.
»Vera«, sagte er pathetisch. »Wir beide.«
Der Kerl drehte seinen unförmigen Kopf zur Seite und grinste von einem Ohr zum anderen. »Wir beide wollen doch dasselbe.«
Vera stellte ihr Glas ab. »Nicht dass ich wüsste.«
»Doch, doch. Sie und ich. Wir sollten den Mörder meiner Tochter finden«, flüsterte der Mann. »Dimitri Kovac, den Sie der Polizei ausgeliefert haben, ist mein Sohn.«
»Dimitri Kovac?«, fragte Vera als ob sie diesen Namen noch nie im Leben gehört hätte.
Der Mann war noch nicht fertig und musste bloß mal tief Luft holen. »Richtig, und Dimitri ist unschuldig«, sagte er. »Geht das in Ihren Kopf?« Dabei klopfte mit einem Finger gegen ihre Stirn. »Unschuldig!«
Vera lächelte vielsagend.
Dieser Widerling wollte was von ihr, und sie war sicher, dass es ihm verdammt ernst war.
»Hören Sie«, sagte der Mann, setzte sich auf das Tischchen und zündete sich eine Zigarre an. Es sah ganz danach aus, als würde er mit dem wackeligen Teil jeden Moment zusammenbrechen.
»Ich habe alle meine Kinder gut versorgt, einschließlich Irina!«
»Irina?« Vera blieb der Mund offen stehen.
»Sie sind … auch … der Vater von Irene?«
Der Mann nickte und paffte und nickte wieder.
Der Tisch hielt merkwürdigerweise stand.
»Ich wollte ihr einen kleinen Denkzettel verpassen, das ist alles. Mein Gott, die hat Forderungen gestellt, denkt an nichts anderes als an Kohle, meine … Kleine … und da sollte ihr Dimitri eben ein bisschen … ein bisschen, Sie verstehen doch? Ein bisschen Druck machen.«
Mieser Fettsack, dachte Vera. Das, was sich vor dem Hotel Orient abgespielt hatte, war also eine reine Familienangelegenheit. Eine Sache zwischen Irene und Marian. Wahnsinn! Hetzt seine Kinder gegeneinander auf. Lässt seine eigene Tochter als Hure für sich arbeiten und von seinem Sohn bewachen?
Marian schlug einen strengeren Ton an.
»Es geht um was anderes, Schätzchen. Sie werden dafür sorgen, dass sich die Medien auf den Mann konzentrieren, der mir die Sache mit ORTIS vermasselt hat.«
»Welche Sache?«, fragte Vera vorsichtig.
»Die Operation ORTIS, der Deal am Mexikoplatz, darüber haben Sie doch Länge mal Breite in der Zeitung berichtet.«
»Ich?«
Vera tippte sich auf die Brust.
»Sicher nicht. Das war ein Kollege!«
Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Die Szene vor dem Hotel Orient und dieser Drogendeal, das hing natürlich zusammen? Okay, aber von welchem Mann hatte Marian gesprochen.
»Schießen Sie los«, sagte Vera frech. »Wen soll ich in die Medien bringen?«
Marian zögerte.
»Sie arbeiten doch noch für Faktum?«
Vera nickte.
»Merken Sie sich den Namen Katzan!«, sagte er leise. »Der hat meine Tochter Irene auf dem Gewissen.«
Vera schaltete. Dieser Idiot wollte doch wohl nicht den Tod seiner Tochter rächen? Nie im Leben. Dann packte sie der Ehrgeiz. »Eins nach dem anderen. Was war denn mit diesem …«
Vera schnipste mit den Fingern.
»Was war mit diesem …?«
»Katzan?«, antwortete Marian.
»Ja genau, Katzan«, wiederholte Vera. »Gehört der zu Ihnen?«
»Nein, nicht direkt. Katzan hat als V-Mann für die Polizei in Paris gearbeitet, später für die Wiener Kriminalpolizei. Wir wollten mit seiner Hilfe ORTIS auffliegen lassen. Die haben in letzter Zeit einfach nicht mehr so gut funktioniert.«
Vera schüttelte den Kopf.
»ORTIS arbeitet auch für Sie?«
»Richtig. Die müssen uns den Stoff abliefern.«
»Und Katzan?«, fragte Vera.
»Es gab Zeiten, da hat uns Katzan mächtig unter die Arme gegriffen, wissen Sie? Ist ‘n guter Kumpel von Dimitri.«
»Wie?«, funkte Vera dazwischen. »Ihr Russen steckt also mit Katzan unter einer Decke, richtig?«
Marian rollte mit den Augen.
»Ja. Katzan sollte für uns ORTIS
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