Die falsche Frau
leiblicher Bruder. Vous êtes legionaires, vous êtes soldats pour mourir et je vous envoie, ou vous mourez.«
»Ihr seid Legionäre, seid Soldaten zum Sterben, und ich lade euch ein, wo ihr sterbt?«, übersetzte Vera und verdrehte die Augen.
»Generale Négrier aus dem Jahre 1884«, schloss François.
Warum erzählte er das alles? Irgendwie hatte er das Gefühl, Vera eine Erklärung schuldig zu sein. Aber warum? Noch nie hatte er mit einer Frau über die Legion geredet, noch nicht mal mit Claire.
»Es war im Kosovo. Anfang Juni«, hörte er sich sagen. »Premier Régiment Etranger de Génie. Offiziell war das Regiment zum Sichern der Schutzzonen angeheuert, aber das waren längst Todesfallen. Ich hatte die Befehlsgewalt. Gab Befehle zu Überraschungsattacken. Eines Morgens kam Katzan zu mir und fing eine Grundsatzdiskussion über die Legion an. Er glaubte nicht mehr an die Mission, er glaubte einfach nicht, dass wir mit Waffengewalt Frieden stiften konnten. ›Der Kosovo ist ein Pulverfass‹, sagte er. ›Was machen wir noch hier?‹«
Vera seufzte laut. »Keine Geschichte, die meine Zeitung interessiert hätte«, sagte sie. »Schade.«
»Schade?«
François blickte sie irritiert an. »Katzan wollte türmen. Das konnte ich nicht durchgehen lassen.«
»Wieso nicht?«, fragte Vera. »Wenn doch alles sinnlos war?«
»Ich hatte die Befehlsgewalt über meine Truppe, ich hab wirklich geglaubt, dass wir …«
»Die Gesetze der Legion über alles stellen?!« Vera prustete demonstrativ in ihr Glas. »Das glaub ich nicht. Das ist doch Wahnsinn!«
»Doch«, sagte François. »Am nächsten Tag hatte ich Befehl zum Schießen gegeben. Katzan ist wie ein Amokläufer mitten in das Schlachtfeld gelaufen. Ich bin ihm hinterher, gefolgt von Männern aus meiner Truppe. Sie waren schneller als ich. Sie …«
François stockte.
»Ich konnte nichts mehr sehen. Zu viel Schutt und Asche. Etwas Furchtbares war passiert. Die zwei Männer aus meine Einheit hatten ihm das Messer an die Kehle gesetzt und waren gerade dabei, ihm den Hals aufzuschlitzen. ›Deserteur, verdammter Deserteur!‹, brüllten sie. Ich pfiff sie zurück, und als ich Katzan da liegen sah und die Männer geflüchtet waren, schloss er seine Augen und flehte darum, sterben zu dürfen. ›Du weißt doch, was die Legion mit Deserteuren macht‹, habe ich gesagt. ›Das weißt du doch.‹ Ich nahm seine Arme, schlang sie mir um den Hals, aber Katzan wollte das nicht. Er wollte nicht weiter für die Legion kämpfen. Ich sagte: ›Du gehörst zu mir, du kommst mit‹, und dann nahm ich ihn mit. Als wir wieder zurück waren, war ich hart mit ihm, härter als mit meinen Männern, die der Krieg so verrückt gemacht hatte, dass sie den eigenen Bruder töten wollten. Nachher ließ ich ihn drei Tage lang Extraübungen machen.«
»Widerlich«, sagte Vera.
François spürte ein Zucken in seinen Händen und hatte plötzlich den Drang, dieser Stimme, die ihn vorher noch eingelullt hatte, den Ton abzudrehen.
»Das verstehst du nicht! Man hätte ihn lynchen sollen«, sagte François. »Man sollte ihn für diese dumme Feigheit lynchen.«
François fühlte ihre Hand in seinem Nacken.
Vera sah ihn an. Ihr Blick war ein einziger Vorwurf. »Und genau darum will er dir jetzt an den Kragen«, sagte sie. »Weil du ihn nicht als Freund, sondern als Feigling betrachtet hast, der seine Lektion bekommen sollte. Wahrscheinlich glaubst du bis heute an den Scheiß.«
The look … Er stieß wütend ihre Hand weg … of love.
Das Lied. Diese Schnulze! François fühlte, wie sich sein Körper vor Wut spannte.
»Halt dich da raus, ja?«
»Nein«, sagte sie und versuchte ihn zu umarmen. Er machte einen Schritt zurück. Ihre Umarmung glitt von ihm ab. »Oder war es wegen einer Frau?«, fragte sie verzweifelt und bekam ihn an der Taille zu fassen.
»Arrête!«, sagte François abwesend. Dann stürzte er nach draußen. Er würde Katzan zur Rede stellen. Er wollte die Wahrheit, und er würde ihn finden, auch wenn er die halbe Stadt auf den Kopf stellen musste.
Auf der Wienzeile ließ er sich ein paar Schritte lang treiben.
Tote Marktstände. Vereinzelte Fußgänger tanzten wie Irrlichter an ihm vorbei. Irgendwo glitt der Schatten bedrohlicher Gedanken durch sein Bewusstsein.
Was, wenn doch? Was, wenn Katzan sich an ihm rächen wollte und den Deal nur eingefädelt hatte, um ihn ans Messer zu liefern?
Vielleicht war er damals zu weit gegangen?
François betastete seine Zähne mit
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