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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Wort. »Ich erwarte einen wichtigen
Anruf.«
    Â»Tschuldigung, dann mach ich’s natürlich kurz. Tschuldigung.
Jedenfalls hat der Mann seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn. Und er
will auch gar nichts mehr von ihm wissen.«
    Betrübt schüttelte Runkel den schweren Kopf, der auf seinem hageren
Körper wirkte, als könnte er bei einer falschen Bewegung herunterkugeln.
    Â»Jedenfalls weiß ich jetzt, dass der Junge mal einen Ladendiebstahl
verbrochen hat. Damals ist er sechzehn gewesen, und die Sache ist dann nicht
mal angezeigt worden. Das ist aber das Einzige, was ich finden konnt. Entweder,
er ist die letzten Jahre anständig gewesen, oder er hat sich nicht erwischen
lassen.«
    Â»Wenn einer ein reines Gewissen hat, dann klettert er nicht aufs
Dach, wenn die Polizei klingelt«, warf ich ein.
    Â»Dass der was ausgefressen hat, ist für mich klar wie Kloßbrühe. Die
Frage ist halt bloß: was?«
    Â»Was wissen wir über seine Waffe?«
    Â»Ein zwanzig Jahre alter aufgebohrter Schreckschussrevolver. Man
hätte auch scharfe Munition damit verschießen können. Es sind aber nur
Platzpatronen drin gewesen. Bloß Platzpatronen. Die Leute von der KT haben
bisher nur rausfinden können, dass das Ding aus Jugoslawien stammt. Falls Sie
die genaue Bezeichnung wissen wollen …«
    Â»Kann ich mir sowieso nicht merken, danke.«
    Â»Auf dem Flohmarkt in Straßburg kriegen Sie so was für zehn,
fünfzehn Euro. In seinem Rucksack sind auch noch fünf Patronen gewesen.«
    Â»Und?«
    Â»Was, und?«
    Â»Was war sonst noch in diesem Rucksack?«
    Runkel rumorte ein Weilchen in seiner Loseblattsammlung herum, bis
er den richtigen Zettel gefunden hatte.
    Â»Eine alte Jeans«, las er mit gerunzelter Stirn und vor Anstrengung
runden Augen vor, »mit Löchern an der linken Arschbacke und am rechten Knie. So
was ist heutzutage ja modern. Wenn meine Kinder so rumlaufen würden, ich kann
Ihnen …«
    Â»Herr Runkel, bitte!«
    Â»Zwei vergammelte T-Shirts, vier Paar Socken, keins davon ohne
Löcher, drei Unterhosen, zwei davon ungewaschen. Sein Ausweis. Siebzehn Euro
dreiundzwanzig in Kleingeld. In der rechten Hosentasche hat er auch noch knapp
fünf Euro gehabt und einen Kamm und ein gebrauchtes Tempo. In der linken war
eine kleine, total abgenudelte Mundharmonika. Wollen Sie auch wissen, was er
angehabt hat?«
    Â»Im Moment nicht. Haben Sie den Kollegen vom Revier Mitte sein Foto
gezeigt?«
    Â»Wieso?«
    Â»Machen Sie das mal. Am besten jetzt gleich.«
    Während des Gesprächs hatte mein Handy auf dem Schreibtisch kurz
gebrummt. Als er sich endlich trollte, las ich die Nachricht von Theresa. »Wir
müssen reden. Aber heute Abend nicht. Wir holen das baldmöglichst nach. Ich
liebe dich immer noch. Jede Menge Küsse, T.«
    Baldmöglichst. Fehlte nur noch das »Hochachtungsvoll«. Mehr wütend
als enttäuscht löschte ich die SMS. Gestern Abend hatte sie mir eine
ausführliche Nachricht geschrieben, in der sie mir mit glasklarer Logik
auseinandersetzte, dass ich im Unrecht war. Ich hatte geantwortet, sie habe
absolut recht, ich sei aber dennoch sauer auf sie, weil sie immer wieder mit
diesen Politikgeschichten anfing, obwohl sie genau wusste, wie sehr das Thema
mich zurzeit nervte. Jetzt tippte ich eine verhalten freundliche Antwort und
dachte an den vergangenen Abend und Helenas Brüste. Im Grunde war ich erleichtert,
Theresa heute nicht unter die Augen treten zu müssen. So konnte ich mich noch
ein Weilchen vor der wichtigen Entscheidung drücken, ob ich meinen Fehltritt beichten
sollte oder nicht. Würde irgendetwas besser, wenn Theresa von Helena wüsste?
Die Lüge tötet die Liebe, hatte Hemingway geschrieben, aber die Aufrichtigkeit
tötet sie erst recht.
    Ich hatte kaum den »Senden«-Knopf gedrückt, als Rolf Runkel anrief.
    Â»Also, Chef, können Sie hellsehen?«, fragte er empört. »Die kennen
den tatsächlich!«
    Â»Wer kennt wen?«, seufzte ich.
    Â»Na, die Kollegen vom Revier Mitte kennen diesen Jakoby. Er hat
manchmal auf der Hauptstraße Musik gemacht. Mit seiner Mundharmonika. Die Kollegen
sagen, er hätte zum Schreien schlecht gespielt, und die Leute hätten ihm
höchstens aus Mitleid was gegeben. Manche Geschäftsleute haben sogar die
Polizei geholt, weil er ihnen die Kundschaft vergrault hat.«
    Am Nachmittag führte

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