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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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ich ein längeres Gespräch mit Angelo
Stober, dem Journalisten. Er stellte mir viele inquisitorische Fragen, und ich
tischte ihm ebenso viele Halbwahrheiten und Ausflüchte auf. Nein, Jonas Jakobys
Unfall hatte nichts mit den bevorstehenden Wirtschaftsgesprächen zu tun. Nein, es
gab nicht einen konkreten Hinweis auf einen bevorstehenden Terroranschlag. Auch
nicht von islamistischer Seite. Die Drohungen, die man im Internet lesen
konnte, wurden von Fachleuten als nicht ernst zu nehmend eingestuft. Ja, es war
eine reine Vorsichtsmaßnahme und durchaus im Rahmen des Üblichen, dass derzeit
so viele Streifenwagen in der Stadt herumkurvten und -standen. Nein, wir trugen
nicht die geringste Schuld daran, dass der untalentierte Straßenmusikant vom
Dach gefallen war. Und ja, er war der Mann, der am Tag zuvor auf meinen
Mitarbeiter geschossen hatte. Nein, ich hatte keinen Schimmer, warum er das
getan hatte. Außerdem sah ich nicht die Spur eines Zusammenhangs zwischen Jakobys
Unfall und einem gar nicht drohenden Terroranschlag.
    Schließlich kam Stober, dessen Blick während des Interviews immer
misstrauischer geworden war, auf das abgebrannte Haus zu sprechen.
    Â»Es stimmt aber schon, dass der eine Tote …« Er warf einen schnellen
Blick in sein dickes Notizbuch. »… dieser Jürgen Prochnik, einer von den
Umweltchaoten gewesen ist?«
    Â»Umweltaktivist trifft es besser. Der Mann war nie gewalttätig. Und
Demonstrieren zählt bei uns in Deutschland zu den Grundrechten.«
    Â»Was hat er in dem Haus gewollt?«
    Â»Wissen wir nicht. Noch nicht.«
    Â»Wer ist die zweite Leiche?«
    Â»Peter von Arnstedt. Ein Student, der strafrechtlich bisher ebenfalls
nicht in Erscheinung getreten ist.«
    Â»Sie halten es aber schon für denkbar, dass die zwei irgendwas
geplant haben, was mit den Wirtschaftsgesprächen zu tun hat?«
    Â»Für denkbar halte ich vieles. Das verlangt mein Job.«
    Â»Sie glauben es aber nicht.«
    Â»Wir haben keinerlei Anhaltspunkte dafür.«
    Â»Und was ist mit dem Sprengstoff?«
    Â»Kein Kommentar.«
    Â»Warum haben Sie vorhin gezögert?«
    Â»Wann?«
    Â»Wie ich Sie gefragt habe, wer die zweite Leiche ist?«
    Â»Kein Kommentar«, wiederholte ich, nachdem ich einen Moment zu lange
gezögert hatte.
    Â»Ist auch ein Kommentar.« Stober grinste mich freundlich an. »Danke
für den Tipp.«
    Wieder warf er einen Blick auf seine Liste. »Stimmt es, dass dieser
Herr Prochnik früher mal Kontakte zur RAF gehabt hat?«
    Â»Ein reines Gerücht. Es existiert nicht die Spur eines Beweises
dafür.«
    Â»Sie halten es aber für möglich?«
    Â»Wie schon gesagt …«
    Â»Danke schön.« Der Journalist stemmte die feisten Hände auf die Tischplatte
und erhob sich schwerfällig. »Ich habe nicht alles erfahren, was ich erfahren
wollte. Aber ich weiß jetzt, wonach ich suchen muss.«
    In der Tür wandte er sich noch einmal um. »Wissen Sie, Herr
Gerlach«, sagte er gemächlich, »für einen Schreiberling wie mich ist das, was
ein Mensch nicht sagt, oft interessanter als das, was er sagt. Schönen Tag
auch.«
    Während des Gesprächs mit dem Journalisten hatte dreimal
mein Telefon gesummt. Als es sich zum vierten Mal meldete, nahm ich ab.
    Â»O’Connor«, sagte eine Frauenstimme. »Mir ist tatsächlich noch etwas
eingefallen. Es ist nur eine winzige Kleinigkeit. Aber Sie sagten ja, ich soll
mich melden, wenn mir etwas einfällt. Wie wir nämlich später weitergefahren
sind, an dem Abend im September, war es ja schon dunkel, und es hat geregnet.
Plötzlich war da ein Radfahrer. Ohne Licht. Harry hat sehr geflucht, weil die
Straße so schmal war. Das war wirklich gefährlich. Ich weiß nicht, warum mir
das jetzt plötzlich wieder eingefallen ist. Vielleicht weil es am Wochenende so
viel geregnet hat. Der Mann auf dem Rad hat es sehr eilig gehabt und ist erst
im allerletzten Moment ausgewichen.«
    Â»Können Sie ihn beschreiben?«
    Â»Groß. Dunkel gekleidet. Das Rad war ein Mountainbike. Harry meint,
es sei gelb gewesen. Ich würde eher sagen, orange. Es war schlecht zu erkennen
im Scheinwerferlicht.«
    Als ich den Hörer auflegte, waren meine Hände feucht. Ein
orangefarbenes Mountainbike hatte ich erst vor Kurzem gesehen. Vor dem Haus in
der Kaiserstraße, in dem wir Adrian Horstkotte festgenommen hatten. Nach

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