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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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hatte uns ohne Umstände eingelassen und hielt sich in unserer
Nähe, damit ihm nichts entging. Zurzeit brachten sich die Männer des Sondereinsatzkommandos
in Stellung. In wenigen Minuten würde alles bereit sein, hatte mir der Leiter
der Gruppe eben per Funk mitgeteilt. Auf dem gegenüberliegenden Gehweg sahen
wir schwarz vermummte, kräftig gebaute Kerle geduckt an der Wand entlang zur
Haustür huschen.
    Â»Da«, sagte Oberkommissarin Krauss neben mir leise, »schon wieder!«
    Dieses Mal hatte ich es auch gesehen. Der zugezogene kakaobraune
Vorhang hatte sich bewegt. Die Wohnung, die unsere Leute in Kürze mit Gebrüll
und Getöse stürmen würden, hatte nur ein einziges Fenster zur Straße hin. Es
befand sich in einer Dachgaube. Inzwischen waren vier der SEK-Männer im Inneren
des Hauses verschwunden. Zwei Scharfschützen lagen auf dem Dach über uns.
Soeben kam ein Krankenwagen an, meldete das Funkgerät, und hielt sich in einer
Seitenstraße bereit.
    Â»Sie ist mit Sicherheit bewaffnet«, sagte Balke.
    Â»Sie wird keine Gelegenheit haben zu schießen«, erwiderte ich.
    Immer häufiger quäkte jetzt das Funkgerät. Streifenwagen hielten
sich bereit, um Sekunden vor dem Zugriff die vierspurige Straße abzusperren.
Kollegen würden sich um Menschen kümmern, die unerwartet aus irgendeiner Tür
traten. Dann wurden die Funkmeldungen plötzlich spärlicher. So ist es immer:
Erst überschlagen sich die Informationen und Fragen, und dann, kurz bevor es
losgeht, wird es still. Jeder ist auf seinem Posten, alle sind in gespannter
Erwartung. Auch unser Gastgeber, der Evalina Krauss anfangs mit neugierigen
Fragen gelöchert hatte, war endlich verstummt. Er wusste nur, dass sich im Haus
gegenüber jemand aufhielt, der von der Polizei gesucht wurde, und dass er sich
besser nicht am Fenster zeigen sollte.
    Â»Da ist wer drin«, raunte jemand im Funk. Die SEK-Männer hatten
inzwischen eine Endoskopkamera unter der Wohnungs-tür hindurchgeschoben.
»Niemand zu sehen. Aber man hört Geräusche.«
    Â»So allmählich …«, meinte Balke mit nervösem Blick zur Uhr.
    Â»Okay«, sagte ich und drückte die Sprechtaste. »Zugriff!«
    Aus dem Lautsprecher drang ein verzerrter Befehl, dann Gebrüll, Krachen
und Klirren. In schneller Folge eine Vielzahl unverständlicher Kommandos und
knapper Antworten.
    Das erste Wort, das ich wieder verstand, war: »Mist!«
    In der Wohnung hielt sich nur ein neunjähriges, jetzt zu Tode
erschrockenes Mädchen auf. Das arme Kind war dabei gewesen, seine Hausaufgaben
zu machen, als die Wohnungstür in Trümmer ging. Seine Mutter war einkaufen.
    Â»Wo zur Hölle kann man denn am Sonntag einkaufen?«, fragte ich
entnervt.
    Â»Tanke«, seufzte Balke.
    Es dauerte quälend lange zwei Minuten, bis geklärt war, dass wir die
falsche Wohnung erwischt hatten. Vahid Öymen hatte sich vertan, als er
behauptete, die fremde Frau wohne auf der rechten Seite. Falls die Terroristin
sich in der anderen Dachgeschosswohnung aufhielt, dann stand sie jetzt mit entsicherter
Waffe und vielleicht einem Sprengstoffgürtel um den Bauch hinter ihrer Tür.
    Â»Und jetzt?«, fragte Evalina Krauss erschöpft.
    Â»Und jetzt?«, fragte der Leiter des SEK-Trupps mürrisch per Funk.
    Und jetzt?, fragte ich mich selbst. Sollte ich das Risiko eingehen,
die zweite Wohnung stürmen zu lassen? Auf die Gefahr hin, dass es Tote oder
Verletzte gab? Sollte ich die Wohnung belagern lassen, bis sie von allein
herauskam? Wir besprachen uns kurz.
    Schließlich sagte ich schweren Herzens und mit feuchten Händen ein
zweites Mal: »Zugriff.«
    Â»Sauber«, tönte es Sekunden später. »Das Vögelchen ist ausgeflogen.«
    Ich gab einige Befehle, und kurz darauf lief der Verkehr wieder, als
wäre nichts gewesen.
    Als wir wütend und frustriert die Treppen hinaufstiegen,
knackte es im Funkgerät.
    Â»Da kommt wer«, flüsterte eine weibliche Stimme im Funkgerät. »Eine
Frau. Aus Richtung Stadt. Alter könnte hinkommen. Größe auch. Sie hat schon den
Schlüssel in der Hand. Was sollen wir machen?«
    Â»Auf keinen Fall ansprechen«, erwiderte ich, ohne zu überlegen, und
machte kehrt. »Wir greifen sie uns hinter der Haustür.«
    Während ich, gefolgt von Balke und Krauss, die Treppe wieder
hinablief, kamen in kurzer Folge weitere Meldungen.

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