Die falsche Frau
der
Querverkehr blockiert.
Noch drei Minuten bis zur Ausfahrt. Immer noch alles frei. Jetzt
waren wir mit fast zweihundert Stundenkilometern unterwegs, achtzig mehr als
erlaubt.
Autobahnkreuz Heidelberg, zwei Kilometer. Viel konnte nun nicht mehr
schiefgehen. Doch â plötzlich die aufgeregte Meldung: »Da steht was in der
Ausfahrt. Da hat einer angehalten!«
»Pass auf dich auf«, hatte Theresa gesagt. In meiner Magengegend
machte sich Ãbelkeit breit.
Ich gab die Meldung an Richards weiter.
»What now?«, fragte er nach einer halben Sekunde Bedenkzeit.
»We could take the next exit.«
Natürlich gab es eine Ersatzstrecke auch für diesen Fall. Wenn die
B37 nicht ging, dann würden wir eben die Schwetzinger StraÃe nehmen. Die war
allerdings nicht abgesperrt und würde es in den nächsten Minuten auch nicht
mehr werden. Und vor allem gegen Ende, um den Bahnhof herum, würde es bei
dieser Variante gefährlich werden.
Aber Richards hatte natürlich eine bessere Idee. Ideen deutscher
Polizisten waren ja grundsätzlich infrage zu stellen.
»Well«, kam es. »Letâs make a U-turn at the next exit.«
So rasten wir weiter geradeaus in Richtung Süden und gewannen
wertvolle Minuten, bis die Situation am Autobahnkreuz hoffentlich geklärt war.
Die Ausfahrt Heidelberg-Schwetzingen kam in Sicht, wieder Blinkerticken, Reifenwimmern,
Sekunden später näherten wir uns zum zweiten Mal dem Heidelberger Kreuz, dieses
Mal aus Richtung Süden.
»Der ist harmlos«, quakte es erleichtert aus dem Lautsprecher. »Eine
junge Frau. Kolbenfresser, wieâs aussieht. Der Motor ist hin, und das Mädel ist
fertig mit den Nerven.«
Aber das interessierte uns nun nicht mehr, denn wir würden die
Ausfahrt, in der der defekte hellblaue Å koda stand, einfach links liegen
lassen.
Der Rest verlief überraschend problemlos. Nirgendwo ein Hindernis,
immer noch kein Hubschrauber in der Luft, der dort nichts zu suchen hatte,
überall Streifenwagen, Blaulicht, Blaulicht, Blaulicht, und dann rauschte unser
Konvoi unbeschädigt in die Tiefgarage des Palace-Hilton.
Bremsen quietschten, Handbremsen ratschten.
Aufatmen.
Phase eins hatten wir überlebt.
Die Türen öffneten sich, und endlich konnte ich sehen, wer in den
Vans und in den Botschaftslimousinen gesessen hatte. Insgesamt zehn, nein,
zwölf Personen stiegen aus, darunter fünf Frauen, alle mit wichtigen Mienen,
schweren Aktenkoffern, eleganten Anzügen oder Businessdress.
Wen ich nicht entdeckte, war Ron Henderson.
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Ich lief auf Richards zu. »Where is Mister Henderson?«
Er schlug mir gut gelaunt auf die Schulter. »Good job, Mister
Gerlach. Really well done. We love you Germans.«
»Where is he?«
»Well.« Er grinste mir unverschämt breit ins Gesicht. »Mister
Henderson is already upstairs in his room.«
»But ⦠what?«
Alles war nur Show gewesen. Eine Riesenaktion, die Hunderte deutsche
Polizisten beschäftigt, Zigtausende Euro gekostet, zeitweise den
innerstädtischen Verkehr praktisch zum Erliegen gebracht hatte â alles nichts
als Mimikry, um mögliche Attentäter an der Nase herumzuführen. Die Amerikaner
hatten schon vor Wochen beschlossen, ihren Wirtschaftsminister auf der Air Base
Ramstein in der Pfalz landen zu lassen und von dort per Luftfracht nach
Heidelberg zu befördern. Vor vierzig Minuten, noch bevor in Frankfurt die
Motoren angelassen wurden, hatte Henderson seine Suite bezogen. Im Augenblick
entspannte er sich in einem heiÃen Bad und wünschte, nicht gestört zu werden.
Die paar Figuren, die in Frankfurt gelandet waren und die wir mit so
viel Getöse und Gehupe nach Heidelberg eskortiert hatten, waren zwei
persönliche Assistentinnen, zwei Sekretärinnen, eine Pressesprecherin und
einige wichtig dreinschauende smarte Typen in eleganten MaÃanzügen, die ich in
diesem Moment nur zu gerne der Reihe nach geohrfeigt hätte.
Aber immerhin, es war gut gegangen, und morgen würde es hoffentlich
gute Presse geben.
Der deutsche Wirtschaftsminister war ebenfalls schon im Haus, hörte
ich. Er war mit dem Nachtzug angereist und hatte sich den halben Kilometer vom
Bahnhof bis zum Hotel in seinem gepanzerten Audi A8 chauffieren lassen, der in
der vergangenen Nacht eigens zu diesem Zweck von Berlin nach Heidelberg
gefahren worden war. Weitere Sicherheitsvorkehrungen hatte man in diesem
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