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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Fall
nicht für nötig gehalten. Lediglich einige unentwegte Demonstranten, die seit
den frühen Morgenstunden den Bahnhof bewachten, hatte man ein wenig zur Seite
schubsen und teilweise zwecks Feststellung der Personalien in Gewahrsam nehmen
müssen. Fürs Erste war alles in Ordnung.
    Und trotz allem fühlte ich mich nicht gut.
    Â»Pass auf dich auf«, hatte Theresa gesagt. Das hätte ich gerne
getan, wenn ich gewusst hätte, wie.
    Die nächste Herausforderung bildete das große Abendessen.
Es sollte um neunzehn Uhr beginnen, allerdings verzögerte sich der Anfang, da
die Bundeskanzlerin zu diesem Zeitpunkt noch im Hubschrauber saß. Aus Gründen
des Protokolls würden Henderson und seine Delegation erst erscheinen, wenn die
Gastgeberin anwesend war. Und natürlich stand auch ich im Foyer, um mir den
Aufmarsch der Wichtigkeiten nicht entgehen zu lassen. Helena war seit dem
Vormittag hier und drückte sich nun in der Nähe der Flügeltüren zum Bankettsaal
herum.
    Sicherheitstechnisch war das Abendessen nach Ansicht der Amerikaner
unkritisch. Das handverlesene Servicepersonal hatte einen mehrstufigen
Securitycheck durchlaufen. In der Küche, auf den Fluren, überall standen Posten
mit glänzenden Schuhen und unauffälligen Knöpfen im Ohr. Weder Presse noch
Öffentlichkeit würden auch nur in die Nähe der hohen Gäste gelangen. Einzig zu
Beginn durften zwei Kamerateams fünf Minuten lang Aufnahmen machen. Eines vom
CNN, eines von der ARD. Filmaufnahmen während des Essens, bei dem auch
Tischreden gehalten werden würden, durfte ausschließlich ein todsicher vom CIA
bezahltes amerikanisches Team machen. Das Material würde später allen
interessierten Nachrichtensendern der Welt kostenfrei überlassen werden.
    Sieben Minuten nach dem geplanten Beginn hörte ich von draußen die
gedämpften Geräusche eines landenden Hubschraubers. Die Bundeskanzlerin hatte
in Stuttgart der feierlichen Eröffnung eines neuen Werks der Daimler AG beigewohnt.
Zwei Minuten später rauschte sie, begleitet von einem überraschend kleinen
Gefolge, an mir vorbei. Ihr Wirtschaftsminister ging neben ihr, redete
halblaut, aber eindringlich auf sie ein. Die Kanzlerin hörte aufmerksam zu,
nickte dabei freundlich-abwesend in die Runde, schüttelte die eine oder andere
Hand, verlor hie und da ein nettes Wort.
    Nach einer kurzen Anstandsfrist ertönte der Gong von Ron Hendersons
persönlichem Lift. Vor den Aufzugstüren entstand Unruhe, Männer und Frauen
sprachen leise in verborgene Mikrofone, wechselten Blicke, strafften die
Rücken.
    Bei dieser Gelegenheit sah ich den Mann zum ersten Mal, der mein
Leben in den vergangenen Wochen so gründlich durcheinandergerüttelt hatte. Die
Türen öffneten sich lautlos, und ein zu meiner Überraschung ziemlich klein
gewachsener Mann mit markiger Miene strebte, gefolgt von seinem Tross, dem
festlich beleuchteten Speisesaal zu. Henderson würdigte keinen der im Foyer
Anwesenden eines Blickes oder gar eines Kopfnickens. Augenblicke später war er
schon wieder außer Sicht. Seine körperliche Kleinheit verblüffte mich.
Vermutlich achtete er streng darauf, immer nur von unten fotografiert zu
werden. Aus der Perspektive, aus der Kids zu ihrem Daddy aufsehen.
    Die Türen schlossen sich.
    Die Aufregung im Vorraum verebbte so schnell, wie sie gekommen war.
Ich schlenderte in den Überwachungsraum und stellte mich im Hintergrund an die
Wand. Auf den Monitoren wurden Hände geschüttelt, launige Bemerkungen ausgetauscht,
Champagnergläser gereicht. Ich konnte beobachten, wie die Bundeskanzlerin mit
Henderson anstieß, einmal nippte und dann ihr Glas an jemanden im Hintergrund
weiterreichte, sobald die Fernsehkameras sich abgewandt hatten. Henderson
behielt seines in der Hand und leerte es zügig. Man nahm Platz, das
Hors-d’œuvre wurde aufgetragen, und bald begann es langweilig zu werden. Obwohl
das, was gesprochen wurde, nicht der Geheimhaltung unterlag, war aus Gründen
der Diskretion nichts zu hören.
    Bereits in dieser Phase würde das Gespräch bald zum eigentlichen
Thema kommen: Deutschlands notorische Exportüberschüsse und Amerikas nicht
weniger rekordverdächtiges Exportdefizit. Schon seit Langem forderten die
Amerikaner, wir Deutschen sollten endlich mehr konsumieren, um Importen eine
Chance zu geben und damit die Wirtschaft der USA anzukurbeln.
    Die

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