Die falsche Frau
nur kleiner).
»Wie war das eigentlich genau«, fragte ich, als ihre Neugier fürs
Erste gestillt war, »als Frau Guballa hier aufgetaucht ist?«
»Wie soll es gewesen sein?«, fragte sie zurück, immer noch Reste
eines seligen Lächelns im Gesicht. »Auf einmal ist sie da gewesen und hat mir
ein offizielles Schreiben vorgelegt, dass sie vorübergehend zu uns versetzt
ist.«
»Könnte ich diesen Wisch mal sehen?«
»Den hab ich später der Petra gebracht für die Ablage. Und als
Nächstes hab ich dann Sie angerufen und gefragt, wo wir die arme Frau hinsetzen
sollen. Und dann haben Sie gesagt, in Ihr Büro.«
»Na ja«, widersprach ich lächelnd, »ganz so war es ja nicht.«
»In Gottes Namen, haben Sie gesagt, ich weià schon.«
Ich betrat mein heute leeres Büro, hängte mein Jackett über die
Lehne des Schreibtischsessels, da ich nur einige Kleinigkeiten erledigen und
mich dann wieder auf den Weg ins Hotel machen wollte. Heute war ich nicht im
dunklen Anzug, sondern trug den sandfarbenen Cordanzug, der nur mehr für
niedere Anlässe taugte und den ich bloà aus reiner Sentimentalität noch nicht
weggeworfen hatte. Warum, war mir selbst nicht klar. Es hatte wohl mit
kindlichem Trotz zu tun und einer besonderen Art von Eitelkeit. Vielleicht
wollte ich auch nur Hendersons Securitytruppen ein wenig ärgern und
demonstrieren, dass ihr Minister nicht das Zentrum meiner Welt war.
Heute fühlte ich mich viel besser als gestern. Ich war wieder
zuversichtlicher, überzeugt, dass am Ende alles gut gehen würde, hätte jedoch
nicht sagen können, weshalb.
»Wieso haben Sie sich noch mal danach erkundigt?«, fragte Sönnchen
durch die einen Spalt offen stehende Tür. »Stimmt was nicht?«
»Doch, doch.« Ich setzte mich. »Alles prima.«
»Irgendwas ist nicht in Ordnung. Sonst hätten Sie doch nicht
gefragt.«
»Nein, wirklich.«
Die Bemerkung des BKA-Menschen ging mir nicht aus dem Kopf. Er
musste sich geirrt haben. Er konnte sich nur geirrt haben. Welchen Grund sollte
Helena haben, ihren Urlaub in Heidelberg zu verbringen und mir wochenlang
vorzugaukeln, sie sei in dienstlichem Auftrag hier? Vielleicht den Ehrgeiz,
Judith Landers doch noch zur Strecke zu bringen? Es ihren Kollegen in Wiesbaden
mal so richtig zu zeigen?
Gleichgültig jetzt, es gab Wichtigeres. Irgendwann, wenn alles
vorbei war, würde ich sie fragen. In heiterem Ton natürlich. Von Lüdewitz war
falsch informiert. Inzwischen gab es ja sogar Beweise: Die Terroristin lebte.
Das DNA-Material, das das LKA-Labor von der dreiÃig Jahre alten Briefmarke aus
Peshawar gekratzt hatte, war nicht nur identisch mit dem aus dem Mercedes,
sondern auch mit dem aus der verlassenen Wohnung in der Bergheimer StraÃe. Es
lieà sich nicht mehr als Hirngespinst einer übermotivierten Zielfahnderin
abtun: Die Bedrohung war real. Und dennoch â irgendetwas war faul.
Ohne sagen zu können, zu welchem Zweck, beschloss ich, doch nicht
gleich zum Hotel zu fahren, und begann stattdessen, die Post durchzusehen, die
zum gröÃten Teil vom Vortag stammte. Zum Glück war nichts Weltbewegendes
darunter. Einige Kleinigkeiten erledigte ich sofort. Andere Dinge legte ich auf
den Stapel für die Tage, wenn Ron Henderson wieder in seiner Heimat war. Vieles
bekam ein groÃes »A« mit Kringel an der rechten oberen Ecke, was für Sönnchen
»Ablage« bedeutete. Sie wusste dann schon, was damit zu tun war. Der Rest â
Werbung, Einladungen zu Weiterbildungsseminaren â landete im Papierkorb.
Die Tür öffnete sich lautlos. Helena trat ein, lächelte mir scheu
zu, setzte sich an ihren Tisch, ohne die dezent nadelgestreifte Kostümjacke
auszuziehen.
»Zufrieden mit gestern?«, fragte ich, um etwas zu sagen.
Sie sah mich zerstreut an. »Aber ja«, erwiderte sie erst nach Sekunden.
»Weshalb sollte ich nicht?«
»Bald ist es überstanden, und du darfst wieder nach Wiesbaden
zurück.«
Sie blickte schon wieder auf ihren Bildschirm. »Nach meinem Büro
habe ich keine Sehnsucht«, murmelte sie.
Schon nach wenigen Sekunden klappte sie ihren Laptop wieder zu,
sprang auf und war Augenblicke später so geräuschlos verschwunden, wie sie
gekommen war. Sönnchen saà nicht mehr an ihrem Schreibtisch, hatte wohl im Haus
zu tun. Ich hatte deutlich die AuÃentür gehört. Ich
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