Die falsche Frau
überlegte hin und her.
Erwog Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten. SchlieÃlich gab ich mir einen
Ruck und stemmte mich aus meinem Schreibtischsessel. Ich musste Klarheit haben.
Ich startete Helenas Computer. Freundlicherweise hatte sie ihn nicht
ausgeschaltet, sondern nur in den Stand-by-Modus versetzt. Unfreundlicherweise
verlangte das Gerät ein Passwort von mir.
Was tat ich hier eigentlich? Warum fing ich plötzlich an, meiner
Bürogenossin nachzuspionieren, deren Fleià und zäher Hartnäckigkeit ich am Ende
vielleicht die Vermeidung einer Katastrophe verdankte?
Ich klappte Helenas Laptop wieder zu.
Es klopfte an der offenen Tür, und im nächsten Moment stand Sönnchen
vor mir.
»Ich hab mir den Schrieb sicherheitshalber doch noch mal geholt. Es
ist wirklich alles in Ordnung, soweit ich das ⦠Was machen Sie �«
Natürlich hatte sie bemerkt, dass ich nicht an meinem, sondern an
Helenas Schreibtisch stand. Und natürlich war ihr, während sie die Frage
aussprach, klar geworden, dass es eine Sekretärin nichts anging, was ihr Chef
in seinem Büro trieb.
Ich nahm ihr das Papier aus der Hand. Es sah echt aus, original
BKA-Briefpapier mit Wasserzeichen, irgendeine Unterschrift, mit Füller
geschrieben. Andererseits, was konnte man heutzutage mit ein wenig Geschick und
einem guten Drucker nicht alles zustande bringen?
»Es ist wirklich nichts.« Ich reichte ihr das Formular zurück und
lächelte harmlos. »Trotzdem. Vielen Dank.«
»Herr Gerlach«, sagte meine Sekretärin ungnädig. »Jetzt sagen Sie
schon, was ist los?«
Ich zögerte noch zwei Sekunden.
»Setzen Sie sich«, sagte ich dann. »Aber machen Sie vorher bitte die
Tür zu.«
Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie das Wesentliche wusste.
»Es ist nichts als ein Gefühl«, schloss ich. »Irgendwas ⦠ich weiÃ
nicht. Irgendwas ist komisch, finden Sie nicht auch?«
Sie beugte sich vor und sah mir verschwörerisch in die Augen. »Was
halten Sie davon, wenn wir uns zusammentun?«, sagte sie unnötig leise.
»Offiziell können wir natürlich nichts machen. Wenn das rauskommt, wie sieht
das aus �«
»Das ist noch milde ausgedrückt. Was genau verstehen Sie unter
zusammentun?«
»Na ja«, Sönnchen lachte ihr helles Lachen, das manchmal klang, als
wäre sie zweiundzwanzig und nicht schon über fünfzig. »Sie wissen schon.«
Ich massierte meine Nasenwurzel. »Es ist wahrscheinlich nur eine
Spinnerei von mir.«
»Wie Sie meinen«, versetzte sie in einem Ton, als hätte sie viel
lieber »Feigling« gesagt.
»Lassen Sie es gut sein«, entschied ich nach kurzem Ãberlegen. »Wir
haben momentan andere Sorgen. Und nachdem ich gestern die ganze Technik gesehen
habe und diese halbe Armee, die im Hotel herumsteht â an Henderson kommt höchstens
Spiderman ran. Und sogar der hätte seine Schwierigkeiten.«
In diesem Moment summte mein Telefon. Balke, las ich auf dem
Display.
»Unserer Mister Henderson war vergangene Nacht auf Abwegen«,
eröffnete er mir heiter. »Angeblich hat er nicht im Hotel, sondern bei einer
alten Flamme übernachtet.«
»Wie das?«
»Ich kenne zufällig wen, der gute Kontakte zu den Amis hat.
Anscheinend läuft das öfter so, wenn der Herr auf Reisen ist. Er lässt Suiten
anmieten, für ein paar Tausender die Nacht, und dann verdünnisiert er sich und
poppt in irgendwelchen fremden Betten rum. Den Amis stinkt das natürlich
gewaltig. Aber was sollen sie machen? Ihn bei seiner Frau verpetzen?«
»Weià man denn, wo er war?«
»Angeblich hat er eine Geliebte, die regelmäÃig hinter ihm herfliegt,
im nächstbesten Fünf-Sterne-Hotel absteigt und auf ihren Stecher wartet.«
»Wie kommt er ungesehen aus dem Haus, bei all dem Aufstand, den
unsere Freunde für ihn veranstalten?«
»Die einfachste Sache der Welt: Fahrstuhl in die Tiefgarage, ein
kleiner, unauffälliger Wagen, den seine Assistentinnen bei jedem
Auslandsaufenthalt für ihn anmieten müssen. Dieses Mal sollâs ein hellgrauer
Ford Focus sein.«
»Wer auÃer uns weià noch davon?«
»Bei den Amis so gut wie jeder. Bis auf seine Frau natürlich. Bei
uns nur Sie und ich.«
»Das sollte auch so bleiben. Jetzt ist er wieder im Hotel?«
»Er sitzt in der Sitzung und soll topfit sein, hört
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