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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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»Danke.«
    Â»Dann kommen Sie einfach so mit. Sie sollten jetzt nicht allein
bleiben.«
    Widerwillig folgte er mir in die wegen der vielen neuen Kolleginnen
und Kollegen völlig überlastete Kantine, wo ich ihn nötigte, wenigstens eine
Kleinigkeit auf sein Tablett zu stellen. Er nahm das, was ich in seinem Alter
auch genommen hätte: Schnitzel, Pommes und Salat. Ich wählte den Fisch, denn
schließlich war heute Freitag. Nach einigem Suchen fanden wir zwei freie
Stühle. Die anderen Personen am Tisch diskutierten mit Berliner Akzent und
großem Ernst über Fußballergebnisse.
    Beim Essen unterhielten wir uns über Privatangelegenheiten. Balke
erzählte mir ungewohnt offen von seiner nicht ganz problemlosen Beziehung mit
Evalina Krauss, mit der er seit dem Frühjahr zusammenlebte. Ich erzählte vom
unaufhaltsam näherrückenden Geburtstag meiner Töchter.
    Â»Haben Sie vielleicht eine Idee, was ich den beiden schenken
könnte?«
    Â»Bares«, antwortete er, ohne eine Sekunde zu überlegen, und begann
plötzlich zu essen. »Mit sechzehn braucht der Mensch drei Dinge: Kohle, Kohle
und noch mehr Kohle.«
    Â»Geld … ich weiß nicht. Ist mir ein bisschen zu phantasielos.«
    Er grinste. »Ihre Töchter werden anderer Meinung sein, glauben Sie
mir.«
    Sein Schnitzel wurde nun zusehends kleiner. Mein Fisch war voller
Gräten und schmeckte nach dem, wonach Fisch niemals schmecken sollte: nach
Fisch.
    Mein Untergebener sah auf. »Vielleicht habe ich noch einen besseren
Vorschlag«, sagte er. »Wäre allerdings mit einem gewissen Aufwand verbunden.«
    Â»Wegen unserer Brandleichen?«
    Er lachte. »Wegen Ihrer Töchter.«
    Um Punkt sieben war ich in unserem Liebesnest, einer
kleinen Zweizimmerwohnung in Neuenheim. Erst seit wenigen Wochen gab es dort
ein richtiges Bett, das Theresa organisiert und ich die Treppen
hinaufgeschleppt und mit wenig Talent und viel Mühe zusammengebaut hatte.
Früher hatten wir uns auf einer Matratze am Boden amüsiert.
    Theresa kam vier Minuten zu spät, ein wenig außer Atem, aber bestens
gelaunt.
    Â»Du wirst es nicht glauben«, sagte sie strahlend nach einer ersten,
vielversprechenden Umarmung und einem kräftigen Kuss. »Ich habe aufgehört zu
rauchen!« Ein zweiter Kuss. Diesmal mit Zunge.
    Â»Wann?«
    Â»Vor einer Stunde und fünf Minuten. Um Punkt sechs habe ich die
letzte Zigarette meines Lebens ausgedrückt und den Rest der Packung in den Müll
geworfen. Und was soll ich sagen – dieses Mal macht es mir überhaupt nichts
aus. Dieses Mal halte ich durch.«
    Â»Mark Twain hat mal gesagt, er versteht überhaupt nicht, weshalb die
Menschen solche Probleme haben, mit dem Rauchen aufzuhören.«
    Â»Ich weiß.« Sie strahlte mich immer noch an. »Er selbst tut es jeden
Tag mindestens einmal.«
    Theresa war eine große, stolze Frau mit honigblonder Lockenpracht.
Sie selbst fand sich zu füllig, redete gerne und oft vom Abnehmen. Ich fand sie
genau richtig. Wir setzten uns auf unser kleines Sofa, tranken den Rest Sekt
aus der Flasche vom Dienstag, sprachen über das Buchhandelsgeschäft, das
niemand so recht verstand. Selbst die Verlage nicht.
    Â»Sonst würden sie ja alle nur noch Bestseller drucken«, erklärte
Theresa und schmiegte sich an mich.
    Â»Hast du endlich die zündende Idee für deinen nächsten Roman?«
    Â»Ich weiß nicht«, seufzte sie. Ihre Hand fuhr unter mein Hemd. »Die
Muse will mich zurzeit einfach nicht küssen.«
    Â»Dann versuch’s ersatzweise mit mir.«
    Das fand sie eine prima Idee. Der Saxofonist, der über uns wohnte,
hatte schon seit Tagen nicht mehr gespielt. Wir vermuteten, dass er in Urlaub
war. Theresas Küsse schmeckten nach Rauch und Pfefferminze. Ihre Hand fand
zielsicher ihren Weg zu den nur bestimmten Menschen erlaubten Zonen. Bald darauf
waren alle Gedanken an Wirtschaftsgespräche, Brandleichen und die Geheimnisse
des Buchhandels hinter dem Horizont verglüht.
    Es war eine seltsame Sache mit unserer Beziehung. Ich konnte mit
übelster Laune diese Wohnung betreten und nicht die geringste Lust verspüren,
Theresa zu sehen. Sobald sie jedoch bei mir war, mich in die Arme nahm, war ich
glücklich. Theresa meinte, das nenne man Liebe.
    Später öffneten wir eine neue Flasche. Als wir anstießen, lächelte
Theresa selig, aber ihr Blick war unruhig. Die

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