Die falsche Frau
Zigarette danach fehlte ihr. Wir
lagen auf dem Rücken und überlegten, ob es ohne Bett nicht irgendwie aufregender
gewesen war. Monatelang hatten wir nur unsere Matratze am Boden gehabt. Und nun
stand da seit zwei Wochen dieses Bett, wirkte irgendwie fehl am Platz und
machte auÃerdem merkwürdige Geräusche, wenn es in Resonanz geriet. SchlieÃlich
sahen wir uns an, nickten uns zu, erhoben uns und zerrten mit vereinten Kräften
die Matratze vom Bett. Dann lagen wir wieder wie früher am Boden und fühlten
uns jung und sehr verrucht und ein kleines bisschen albern. Wir sprachen über
dies und jenes, und im Grunde war es gleichgültig, was wir sprachen, wenn wir
nur zusammen waren. Wir lachten manchmal leise und schnurrten, während wir uns
versonnen streichelten.
Die Fenster waren gekippt. Von drauÃen drangen die Geräusche der
StraÃe herein. Junge Menschen auf dem Weg zu den Kneipen Neuenheims. Das
Klappern eines Mülleimerdeckels. Das Liebeslied eines einsamen Amselmännchens,
das mit den Jahreszeiten durcheinandergekommen war.
Und vermutlich war es unvermeidlich: Irgendwann kam die Sprache auf
den Wirtschaftsgipfel, der inzwischen zum Lieblingsthema der lokalen Presse
aufgestiegen war.
»Ich zähle die Tage, bis es vorbei ist«, sagte ich. »Wenn du keine
Dame wärst, dann würde ich an dieser Stelle sagen, es kotzt mich nur noch an.«
»Du hast seit Neuestem eine Bürogenossin, habe ich gehört?«
»Woher weiÃt du denn das schon wieder?«
»Von Egonchen. Er telefoniert hin und wieder mit seiner Sekretärin,
um zu hören, ob du ohne ihn klarkommst.«
Egonchen war zugleich ihr Mann und mein Chef. Ein breiter
Zweimeterriese, der sich ungern über irgendetwas aufregte.
»Sie klagt ja sehr, die arme Frau Ragold«, fuhr Theresa fort. »Es
muss ein schreckliches Gedränge sein bei euch. Weshalb hast du mir eigentlich
nicht erzählt, dass du dein Büro mit einer Kollegin teilst?«
»Weil sie erst seit gestern da ist. AuÃerdem ist es doch vollkommen
unwichtig.«
»Ich finde es nicht unwichtig. Ich finde, ich habe ein Recht zu
erfahren, wenn es eine andere Frau in deinem Leben gibt.«
Bevor ich etwas Falsches sagte, hielt ich lieber den Mund und
begann, sie wieder zu streicheln. Sie lieà es geschehen, seufzte einige Male
wohlig und fragte schlieÃlich mit halb geschlossenen Augen: »Ist sie hübsch?«
»Hässlich wie ein vietnamesischer Ochsenfrosch. Sie trägt eine
Brille, die ihr überhaupt nicht steht. Sie zieht sich an wie eine Engländerin.
Und ich werde sie nie wieder ansehen, falls dich das beruhigt. AuÃerdem geht
sie mir furchtbar auf den Geist, und das meine ich ernst. Ich bin es nicht mehr
gewohnt, mit jemandem mein Büro zu teilen.«
Theresa nickte befriedigt und genoss meine Zärtlichkeiten. Als ich
schon dachte, das Thema sei vergessen, sagte sie: »Und der ganze Tumult nur,
weil zwei Minister das Bedürfnis verspüren, in Heidelberg ihr Tête-à -Tête zu
veranstalten?«
»Das wäre ja im Prinzip noch kein Problem, wenn die Amis sich nicht
überall und jederzeit bedroht fühlen würden.«
»Diesen Mister Henderson solltest du übrigens von Rechts wegen auf
der Stelle festnehmen, sobald er einen Fuà in die Stadt setzt.« Theresa rückte
näher, legte ihre heiÃe Hand auf meinen Bauch und begann wieder zu schnurren.
»Aber jetzt ist vielleicht nicht der passende Zeitpunkt für Politik.«
9
»Ãbers Wochenende haben sich ein paar Zeugen gemeldet«, berichtete
Evalina Krauss bei der Fallbesprechung am Montagmorgen und gähnte erst einmal
herzhaft. »Spaziergänger, Jogger und eine alte Frau, die in einem von den
Hochhäusern in der Nähe wohnt.«
Ein Hustenanfall unterbrach sie. Offenbar hatte sie sich beim Gähnen
verschluckt. Neben ihr saà â gemütlich die Beine von sich gestreckt â ihr
Lebensabschnittsgefährte Sven Balke und hatte sich von ihrem Gähnen anstecken
lassen. Als der Husten seiner Liebsten nicht nachlassen wollte, schlug er ihr
einige Male kräftig auf den Rücken. Helena Guballa saà still an ihrem Laptop
und schien nicht zu hören, was um sie herum gesprochen wurde.
Mein Wochenende war ruhig verlaufen. Den Samstag hatte ich mit den
Dingen verbracht, die die Woche über liegen geblieben waren. Dingen, die leicht
zu erledigen waren und keine Probleme
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