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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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des
Grundstücks. Rechts und links von uns wuchsen Apfelbäume, deren Äste sich unter
dem Gewicht der Früchte bogen. An der Ostseite des Hauses stapelte sich
Brennholz in Mengen, als hätte der Bewohner mit dem Schlimmsten gerechnet. Die
hohe Tür aus massivem, dunklem Holz machte keinen einladenden Eindruck. An den
wuchtigen Türpfosten leuchteten zwei Reihen »Atomkraft – nein danke«-Aufkleber.
Der rostige Briefkasten neben dem Klingelknopf ohne Namenschild stand kurz
davor zu platzen. Es roch nach nassem Gras und Landwirtschaft. In der Ferne
brummte der Traktor, den ich eben noch nicht hatte hören können. Mein Schnupfen
schien in der frischen Luft plötzlich schwächer geworden zu sein.
    Das Öffnen des Sicherheitsschlosses dauerte keine dreißig Sekunden.
Innen war es kalt und dämmrig. Es roch modrig. Der Flur war riesig und – bis
auf ein kitschiges Ölbild und vier alte Kleiderhaken an der Wand – unmöbliert.
Schon in der ersten Sekunde hatte ich das Gefühl, dass der letzte Bewohner hier
lange Zeit allein gelebt hatte. Die erste Tür, die ich öffnete, führte in eine
große, aufgeräumte und altmodisch eingerichtete Küche, in der es säuerlich roch.
Der Raum wirkte, als hätte jemand sich große Mühe gegeben, alle Spuren von
Leben daraus zu tilgen. Die Arbeitsflächen und der schwere Holztisch waren
sauber abgewischt. Keine Krümel, keine Notizzettel am hellblauen Pinbrett, kein
benutztes Glas in der Spüle. Der im Gegensatz zur restlichen Küchenausstattung
hochmoderne Kühlschrank – vermutlich Energieklasse A++ – war ausgeschaltet, die
Tür stand halb offen.
    Â»Hier riecht’s schimmlig«, stellte Evalina Krauss mit gerümpfter
Nase fest. Tastsächlich entdeckte ich in zwei Ecken schwärzliche Flecken und
Ränder von Feuchtigkeit, die das Gemäuer über die Jahre aufgesogen hatte.
    Â»Die Leute nebenan sagen, er wäre schon mindestens acht Wochen weg«,
erklärte der Kollege, mit dem ich telefoniert hatte, in schwerfälligem Badisch.
Er war groß und kräftig und riss mit entschlossenen Bewegungen ein Fenster auf,
das offenbar klemmte.
    Kollegin Krauss hob den Deckel des großen Blechmülleimers, Modell
Krümelmonster, ließ ihn scheppernd wieder fallen. »Leer«, sagte sie, als hätte
sie mit nichts anderem gerechnet.
    Â»Hätt nicht gedacht, dass der so ordentlich ist«, sagte der Zweite
der Rastatter, ein kleiner Mann mit kantigem Gesicht und stocksteifem Rückgrat.
    Hinter der nächsten Tür befand sich ein geräumiges, sparsam
möbliertes Arbeitszimmer mit Blick nach Westen, wo sich ebenfalls Felder
erstreckten. Die Spätnachmittagssonne brach eben durch die schnell ziehenden
Wolken und vergoldete die Aussicht.
    Â»Eigentlich könnt das Haus ganz nett sein«, fand Evalina Krauss und
sah sich fachmännisch um. »Mit ein bisschen Liebe könnt man was draus machen.«
    Den einzigen Schmuck des Arbeitszimmers bildete ein schauderhaftes
Ölgemälde, das so hässlich war, dass es sich nur um ein Erbstück handeln
konnte. Das Pendant im Flur hatte eine abendliche Flusslandschaft mit viel Rosa
gezeigt. Auf diesem hier war dunkler Tann mit Hirsch zu bewundern. Immerhin
röhrte er nicht.
    Unter dem großen Fenster stand ein alter und schon ein wenig aus dem
Leim gegangener Pressspanschreibtisch. Nur eine feine, gleichmäßige
Staubschicht bedeckte die leere Arbeitsfläche. Auch sämtliche Schubladen waren
leer.
    Â»Hier hat aber einer gut aufgeräumt«, stellte der steife Kollege
fest.
    Â»Wovon hat er eigentlich gelebt?«, fragte ich.
    Die beiden Uniformierten zuckten die Achseln. »Die Nachbarn wissen
nur, dass er früher mal mit Immobilien gehandelt hat«, sagte der Große. »Ich
denk, der hat so gut verdient, dass er Arbeiten nicht mehr nötig gehabt hat.«
    Â»Die Leute sagen, er hat das Grundstück praktisch nur zum Einkaufen
verlassen«, fügte der mit dem stechenden Blick hinzu.
    Â»Oder wenn er wieder mal auf eine Demo gefahren ist. Da sei er dann
manchmal tagelang weggeblieben.«
    Â»Wo sind eigentlich die Katzen?«, fragte meine Mitarbeiterin
plötzlich. »Hat’s nicht geheißen, er hätte Katzen?«

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    Â»Was denken Sie?«, fragte Evalina Krauss, als wir wieder
im Wagen saßen.
    Â»Dass die Nachbarn recht haben. Ein schräger Vogel.«
    Wir hatten

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