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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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aber nicht darauf …«
    Mareikes Quengeln wurde lauter. Der Atem der Mutter unruhig. Der
Löffel fiel ein zweites Mal zu Boden.
    Â»Ich muss jetzt wirklich«, seufzte sie. »Kann ich Sie anrufen, wenn
mir noch etwas einfällt?«
    Ich diktierte ihr meine Nummer.
    Â»Jetzt!«, rief sie erleichtert, als ich die letzte Ziffer aussprach.
»Jetzt weiß ich es wieder. Er sagte, er hätte dort übernachtet, in der Nähe der
Gleise. Für den Fall, dass sie den Zug früher als erwartet auf die Reise
schicken. Solche Tricks machen sie ja manchmal. Er hat so eine Art Wohnmobil,
einen alten Polizeibus. Das fand er nämlich witzig. Sonst hat er wenig geredet,
aber auf sein Wohnmobil, darauf war der richtig stolz. Dass er sozusagen mit
dem eigenen Polizeiauto zur Demo fährt, das hat er gleich zweimal erwähnt. Er
hat es nicht umlackiert, obwohl er das gemusst hätte. Und er fand es schade,
dass es kein Blaulicht oder Martinshorn mehr auf dem Dach hatte. Das hatten die
Bull… Das hatten die von der Polizei natürlich abmontiert.«
    Â»Und er hatte nicht weit zu fahren, sagten Sie vorhin.«
    Â»Stimmt. Eine halbe Stunde, dann sei er zu Hause. Und wie er sich
darauf freut, sich einen schönen Tee zu kochen und seine Katzen auf den Schoß
zu nehmen. Wir haben ja alle gebibbert wie die Schneider. Ich hatte so gehofft,
dass sie endlich mit der Räumung beginnen, und zwar bitte auf meiner Seite,
damit ich wieder nach Hause konnte. Aber die haben uns ewig da im Regen sitzen
lassen, und wie es dann endlich losging, war es natürlich ganz am anderen Ende.
Am nächsten Morgen hatte Mareike Husten und Fieber und konnte eine Woche nicht
in den Kindergarten, und mir haben sämtliche Glieder wehgetan.«
    Ich legte auf und nieste zweimal.
    Â»Herr Gerlach«, Sönnchen streckte den Kopf durch die halb geöffnete
Tür und grinste geheimnisvoll. »Ich wollt bloß sagen, der Herr von Lüdewitz ist
heut krank.«
    Â»Nichts Schlimmes, hoffe ich?«
    Â»Er hat’s am Magen. Hat die halbe Nacht auf dem Klo gesessen, hat
mir die Petra grad erzählt.«
    Â»Und wie geht es Frau Ragold?«, fragte ich ahnungsvoll. »Ich hoffe,
wir müssen kein Ermittlungsverfahren gegen sie einleiten wegen Beibringung
gesundheitsgefährdender Stoffe?«
    Sönnchen grinste geheimnisvoll und verweigerte eine Antwort. »Wo
doch am Montag unser Dr. Liebekind sein Büro wieder braucht, haben wir gedacht,
wir ziehen das Zeug vom Herrn von Lüdewitz schon mal um. Ich helf ihr ein bisschen
dabei, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    Â»Haben Sie doch noch ein freies Büro für ihn gefunden?«
    Wieder erhielt ich keine Antwort. Lassen Sie sich einfach überraschen,
sagte ihr Lächeln.
    Eine Viertelstunde später trat Helena Guballa ein und
hängte mit einem erschöpften Seufzer ihren Dufflecoat an die Garderobe.
    Â»Draußen steht ein Herr, der zu Ihnen möchte«, sagte sie, als sie
schon am Schreibtisch saß. »Er hat es schrecklich eilig, Ihre Sekretärin ist
nicht da …«
    Â»Bitten Sie ihn herein?«
    Wortlos erhob sie sich, um mir den Gefallen zu tun.
    Der Professor für Alte Geschichte war nicht ganz so jung, wie ich
ihn mir nach Evalina Krauss’ Beschreibung vorgestellt hatte. Er war von
gedrungener Gestalt und, obwohl noch keine fünfzig, schon völlig ohne Haare auf
dem runden Kopf. Im Augenblick war er – gelinde gesagt – ein wenig angespannt.
    Â»Ich bin sehr in Eile«, stieß er hervor, noch bevor er meine Hand
losgelassen hatte. »Und ich bin es eigentlich nicht gewohnt, dass man mich auf
dem Flur warten lässt.«
    Seine Hand fühlte sich feucht und klebrig an. Ich wischte die meine
unauffällig an der Hose ab. Außerdem hatte er Mundgeruch.
    Â»Es tut mir sehr leid, Herr Professor«, sagte ich zuvorkommend.
»Meine Sekretärin hat im Haus zu tun. Und es wird nicht lange dauern. Ich
möchte Sie nur bitten, einen Blick auf ein Video zu werfen und mir zu sagen, ob
Sie eine bestimmte Person schon einmal gesehen haben.«
    Â»Es geht um diesen Brand in Sandhausen, vermute ich?«
    Wortlos startete ich das Video, suchte die richtige Stelle, das
empörte Schnaufen des Zeugen im Rücken.
    Â»Richtig«, stieß er in der Sekunde hervor, als der Mann mit dem
Cowboyhut auftauchte. »Das ist er.«
    Ich wandte mich um und sah ihm ins Gesicht. »Sie sind ganz

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