Die falsche Frau
zusammen
sein.
Ich lieà meinen Papierkram liegen und nahm der Fitness zuliebe nicht
den Fahrstuhl, sondern die Treppe. Hinter mir lag ein herrlich faules
Wochenende voller Ruhe und Frühherbstsonne. Am Freitagabend war ich tatsächlich
laufen gewesen, und nach anfänglicher Lustlosigkeit war es überraschend gut
gegangen. Meine Töchter hatte ich kaum zu Gesicht bekommen. In der Nacht von
Samstag hatten sie bei einer Freundin übernachtet, und so war aus meinem
Vorsatz, sie endlich auf das Thema Pille anzusprechen, leider nichts geworden.
Im Zimmer von Krauss und Balke saà ein junges und sehr verlegen
dreinschauendes Pärchen. Die beiden mochten im Alter meiner Töchter sein,
vielleicht ein, zwei Jahre älter. Der groÃgewachsene Junge mit blonden
Haarstoppeln auf dem Kopf und heller Haut trug eine betongraue Jeans und ein
noch graueres Kapuzenshirt zu beeindruckend schmutzigen Sportschuhen. Das
Mädchen war einen Kopf kleiner als er, ein wenig rundlich und mit blauschwarz
schimmernden Locken. Sie steckte in frisch gewaschenen Bluejeans und einem
bunten Strickpullover. Die beiden sprangen auf, als ich eintrat, reichten mir
artig die Hand. Der Junge mit markiger Miene und angedeuteter Verbeugung. Balke
war offenbar im Haus unterwegs. Seine dunkelbraune Lederjacke hing schief über
der Lehne seines Schreibtischstuhls.
»Darf ich vorstellen?«, sagte Evalina Krauss mit spitzbübischem
Grinsen, während wir uns setzten. »Die Gespenster.«
Ich sah sie fragend an.
»Erinnern Sie sich nicht? Die alte Frau, die behauptet hat, in dem
leer stehenden Haus würd es spuken?«
»Es ist â¦Â«, begann der Junge mit gesenktem Blick und krächzender
Stimme, als wäre er noch im Stimmbruch. »Wir sind da abends gewesen. Manchmal.
Zusammen.«
Das Mädchen ergriff seine Hand, als wollte sie ihm Mut machen. So,
wie sie zu ihm aufsah, ihre erste groÃe Liebe. Der Junge hustete, fuhr fort:
»Aylin, also wenn â¦Â«
»Wenn mein Vater davon erfährt, dann gehtâs mir schlecht«, sagte das
Mädchen in akzentfreiem Deutsch und sah mir tapfer ins Gesicht.
»Niemand wird irgendwas von dem erfahren, was wir hier reden.«
Der Junge nickte und zwinkerte nervös. »Früher sind wir jede Woche
ein, zwei Mal da gewesen. War supergemütlich da und praktisch auch. Wir hatten
sogar ein paar Sachen hingebracht. Eine Matratze und einen kleinen Tisch und
Klappstühle und eine Petroleumlampe. Aber wie wir im Juni ⦠Ende Juni ist das
gewesen, wir glauben, am sechsundzwanzigsten ⦠Und wie wir da wieder in unser
Haus wollten, da ist â¦Â«
»Ist schon wer da gewesen«, ergänzte Aylin mit charmantem Lächeln,
bei dem sie zwei Reihen kleiner, spitzer Zähne zeigte. »Zwei Männer. Ein junger
und ein alter.«
Ich hatte mich auf Balkes Schreibtischstuhl gesetzt.
»Können Sie die Männer beschreiben?«
»Na, logo«, erwiderte das Mädchen altklug. Der Junge schien froh zu
sein, die Last des Redens fürs Erste los zu sein. »Wir haben an dem Abend Licht
gesehen. Schon von Weitem. Sie hatten Vorhänge an die Fenster gehängt. Die
waren früher nicht da gewesen. Aber einer hat einen Spalt offen gestanden, und
da haben wir dann reingespitzelt. Nur so, weil wir neugierig waren. Die Männer
haben sich unterhalten. Wir konnten aber nichts verstehen. Manchmal haben sie
auch gelacht. Obwohl, eigentlich hat nur der Jüngere gelacht. Der andere hat
ganz griesgrämig geguckt. Der hatte schlechte Laune.«
»Sie sind sicher, dass es zwei Männer waren und nicht ein Mann und
eine Frau?«
»Ja«, bestätigte der Junge nun schon wieder etwas mutiger.
»Beschreiben Sie bitte mal den Ãlteren.«
»GroÃ. Nicht dick. Schon ein bisschen grauhaarig«, erklärte der
Junge.
»Eine ziemlich lange Nase hat er gehabt und ein hageres Gesicht«,
fuhr das Mädchen fort.
Jürgen Prochnik.
»Und der Jüngere?«
»Der ist schmal gewesen. Vielleicht zwanzig, zweiundzwanzig.«
»Nicht so der Muskeltyp. Eher im Gegenteil.«
»Sonst haben Sie niemanden dort gesehen?«
Entschiedenes Kopfschütteln.
»Wir sind dann auch bald abgehauen«, sagte der Junge. »Hatten ein
bisschen Schiss, dass sie uns entdecken. Wir wussten ja nicht, was für Typen
das waren. Am Waldrand sind wir dann aber doch noch mal umgekehrt.«
»Es ist ziemlich aufregend
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