Die falsche Frau
ist nicht nötig, danke.«
Wir setzten uns an einen der Tische unter den roten Sonnenschirmen,
von denen man eine hübsche Aussicht auf die GroÃbaustelle um das ehemalige
Heidelberger Hallenbad hatte. Der September schien uns für den verregneten
August entschädigen zu wollen. Pünktlich zum Monatswechsel war es warm und
sonnig geworden. Dennoch roch es hin und wieder schon ein wenig nach Herbst.
Die Speisekarten lagen auf dem Tisch, der Kellner stand bereits erwartungsvoll
grinsend neben uns. Ich wählte überbackene Pasta mit gemischten Gemüsen. Meine
Gesprächspartnerin bestellte ihr Risotto mit einer Achtlosigkeit, als hätte sie
nicht vor, es anzurühren. Seit meine Töchter kein Fleisch mehr aÃen, hatte auch
ich mehr und mehr die vegetarische Küche schätzen gelernt. Es sei gut für die
Gesundheit, hatte ich gelernt. Und für die Umwelt auch.
»Was ist das nun für eine Geschichte mit Ihrem Sohn?«, fragte ich,
als der Kellner verschwunden war. »Sie haben Angst, dass ihm etwas zugestoÃen
sein könnte?«
»Ich habe eher Angst, dass er Dummheiten macht.« Mit starrer Miene
sah sie auf den Tisch. »Peter ist in den letzten Jahren sehr ⦠politisch
geworden. Er versteht sich nicht sonderlich gut mit seinem Stiefvater. Burkhard
und er ⦠Die beiden sind wie Feuer und Wasser. Peter entstammt meiner ersten
Ehe. Er war immer â entschuldigen Sie, aber es fällt mir kein bescheideneres
Wort ein â ein Musterkind. In der Schule immer unter den Besten. Nie gab es
Grund zur Klage, nie. Aber dann ist mein erster Mann gestorben, an einer bis
heute nicht heilbaren Nervenkrankheit. Damals war Peter dreizehn, mitten in der
Pubertät, und dieser Schicksalsschlag hat ihn sehr getroffen. Er hat seinen
Vater geliebt. Nein, das trifft es nicht, er hat ihn vergöttert. Später dann
war er einige Zeit in Therapie und hat sich wieder gefangen. Er ist so
sensibel. Ich ⦠ich habe ⦠Burkhard und ich haben uns damals schon einige Zeit
gekannt, und â nun ja. Das war dann der nächste Schicksalsschlag für meinen
kleinen Peter.«
Unsere Getränke kamen. Frau Hagenow hatte ein Fläschchen stilles
Wasser bestellt, ich eine Cola. Wir nickten uns zu, nippten an unseren Gläsern.
Wieder schlug sie die dunklen Augen nieder. »Anfangs habe ich
Burkhard meinem Sohn einfach als alten Freund vorgestellt. Wollte ihn schonen.
Erst später mit der Wahrheit herausrücken. Aber er hat es dann selbst
herausgefunden. Er hat zufällig ein Telefonat belauscht. Es war meine Schuld.
Ich dachte, er sei bei Freunden, und war unvorsichtig. An diesem Tag ist zum
zweiten Mal die Welt für ihn eingestürzt. Und von diesem Tag an hat er Burkhard
gehasst, bis aufs Blut. Mich seltsamerweise nicht. Niemals. Aber alles, was
Burkhard sagte, wurde von nun an angezweifelt, hinterfragt, bekämpft.«
»Ihr Verhältnis zu Ihrem Sohn ist sehr eng?«
»Nach dem Tod meines ersten Mannes haben Peter und ich uns
aneinandergeklammert. Vielleicht enger, als es gut war, ja.«
»Seit wann ist Ihr Sohn verschwunden?«
»Etwa seit acht Wochen. Ich kann es nicht genau sagen.«
»Davor hat er bei Ihnen gewohnt?«
»Aber nein. Peter studiert. Er hat ein Zimmer in Schlierbach. Er hat
gesagt, er brauche Abstand. Ich habe es akzeptiert, auch wenn es mich
schmerzte. Am Ende wollte er nicht einmal mehr Geld von mir annehmen. Lieber
hat er gejobbt, um sich seinen Unterhalt und sein Studium zu verdienen.
Immerhin haben wir da noch regelmäÃig telefoniert, uns hin und wieder auch
gesehen. Bei einem kleinen Lunch in der Stadt zum Beispiel. Aber jetzt habe ich
schon wochenlang nichts mehr von ihm gehört. Ãberhaupt nichts. Sein Handy ist
aus. Wenn ich ihm auf die Mailbox spreche, antwortet er nicht. Gestern habe ich
seine Vermieterin angerufen. Die sagte mir, Peter habe sein Zimmer schon zum
dreiÃigsten Juni gekündigt.«
»Das wären dann ja schon fast zehn Wochen.«
Sie nickte mit gesenktem Blick. An manchen ihrer Nägel war der
blassrosa Lack abgeplatzt.
»Denken Sie, der Konflikt mit seinem Stiefvater hat etwas mit dem
Verschwinden Ihres Sohnes zu tun?«
»Ich kann es nicht sagen.« Hilflos hob sie die schlanken Hände. »Ich
weià ja nichts. Nichts. Nur, wenn die beiden zusammentrafen, dann gab es
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