Die falsche Tochter - Roman
das sie zu einem festen Knoten zusammengesteckt hatte. Sie saß auf der Vorderveranda vor ihrem Haus, ein Fernglas in Griffweite neben sich. »Die alte Beißzange! Sie konnte mich nie leiden, weil sie dachte, ich wollte etwas von ihrem William. Ich war damals nicht verheiratet, und Lorna dachte, alle unverheirateten Frauen seien ständig auf Männerjagd.«
»Lorna meinte, Sie könnten mir vielleicht sagen, wer damals im Kreißsaal bei Suzanne Cullen war, als sie ihre Tochter bekommen hat. Und vielleicht auch, mit wem sie auf dem Zimmer lag oder sonst Kontakt hatte. Die Krankenschwestern, das übrige Personal auf der Entbindungsstation und so weiter.«
»Meine Güte, das ist lange her.« Betsy beäugte Callie neugierig. »Ich habe Sie im Fernsehen gesehen.«
»Ich arbeite an dem archäologischen Projekt am Antietam Creek.«
»Genau. Das ist es. Sie erwarten doch nicht etwa von mir, dass ich Ihnen irgendetwas erzähle, ohne den Grund für Ihre Frage zu wissen.«
»Sie wissen ja, dass Suzanne Cullens Tochter entführt wurde. Damit haben meine Fragen zu tun.«
»Sind Sie nun Archäologin oder Detektivin?«
»Nun, manchmal ist das fast das Gleiche. Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie mir helfen könnten, Mrs Poffenberger.«
»Mir hat das damals für Mrs Cullen furchtbar Leid getan. Alle Leute haben das so empfunden. Normalerweise passiert so etwas hier nicht.«
»Aber es ist passiert. Können Sie sich vielleicht an irgendetwas Besonderes, irgendwelche außergewöhnlichen Vorfälle erinnern?«
»Wir haben damals wochenlang über nichts anderes geredet. Alice Lingstrom war zu dieser Zeit Oberschwester auf der Entbindungsstation. Ich bin gut mit ihr befreundet. Sie und Kate Regan und ich, wir haben in den Pausen viel über die Entführung gesprochen. Kate arbeitete in der Krankenhausverwaltung. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Im Moment erinnere ich mich an nichts Besonderes, aber ich kann mich ja noch einmal umhören. Ich habe immer noch ganz gute Beziehungen«, fügte sie augenzwinkernd hinzu. »Ja, das könnte ich sicher. Jay Cullen hat den Sohn meiner Schwester in der Schule unterrichtet. Mike ist nicht gerade der Hellste, wenn Sie wissen, was ich meine, aber meine Schwester hat gesagt, dass Mr Cullen ihm zusätzliche Stunden gegeben hat, um ihm zu helfen. Also könnte ich ja auch etwas für ihn tun.«
»Danke.« Callie schrieb ihre Handynummer auf einen Zettel. »Unter dieser Nummer können Sie mich erreichen. Jede Information ist mir wichtig.«
Betty betrachtete die Nummer mit geschürzten Lippen, dann musterte sie forschend Callies Gesicht. »Sind Sie mit den Cullens verwandt?«
»Es sieht so aus.«
In der Küche war der Pokerabend bereits in vollem Gange, als Callie nach Hause kam. Eilig wandte sie sich zur Treppe, in der Hoffnung, unbemerkt in ihr Zimmer zu gelangen. Aber anscheinend verfügte Jake über eine Art Radarsystem, wenn sie in der Nähe war. Sie war bereits auf halbem Weg nach oben, als er sie am Arm ergriff und mit sich nach unten zog.
»Hey, lass mich los!«
»Wir machen einen Spaziergang.« Er hielt sie weiter fest und dirigierte sie zur Tür. »Damit mir niemand in die Quere kommt, wenn ich dich verprügele.«
»Wenn du weiter so an mir zerrst, bekommst du gleich Ärger.«
»Warum hast du dich heimlich weggeschlichen?«
»Ich habe mich nicht weggeschlichen, ich bin weggefahren. Und zwar in meinem frisch lackierten Auto.«
»Wo warst du?«
»Ich bin dir keine Auskunft schuldig.«
»Wo warst du, und warum hast du dein Handy ausgeschaltet, sodass ich dich nicht erreichen konnte?«
Als sie am Bach angekommen waren, konnte Callie sich endlich losreißen. »Ich habe ein paar Informationen überprüft. Ich wollte das allein erledigen, weil ich keine Lust habe, dass das gesamte Team über uns redet, nur weil wir ständig zusammen sind.«
»Scheiß auf den Klatsch! Ist dir vielleicht jemals in den Sinn gekommen, dass ich mir Sorgen mache, wenn ich nicht weiß, wo du bist?«
»Nein. Ich habe mir bloß gedacht, dass du wütend sein wirst.«
»Ich bin wütend.«
»Das ist mir egal, aber ich wollte natürlich nicht, dass du dir Sorgen machst. Es tut mir Leid.«
»Was hast du gesagt?«
»Ich habe gesagt, es tut mir Leid.«
»Du hast dich wahrhaftig entschuldigt, ohne dass ich dich dazu gezwungen habe?« Jake hob die Hände und blickte zum Himmel. »Ein Wunder ist geschehen!«
»Und jetzt werde ich dir sagen, was du mit der Entschuldigung machen
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