Die falsche Tochter - Roman
Geschichte.«
»Ja, Ma’am. Darüber möchte ich gerne mit Ihnen sprechen.«
»Sind Sie von der Polizei? Das ist doch bestimmt schon dreißig Jahre her. Damals habe ich auch schon mit der Polizei geredet.«
»Nein, ich bin nicht von der Polizei.« Callies Instinkt sagte ihr, dass diese misstrauische Frau mit den Katzen nicht fähig gewesen wäre, Babys, die ihr Mann entbunden hatte, entführen zu lassen und zu verkaufen. »Mrs Blakely, ich bin das entführte Baby. Ich bin Suzanne Cullens Tochter.«
»Warum haben Sie das denn nicht gleich gesagt?« Lorna stieß die Tür auf. »Wie geht es Ihrer Mama? Ich habe gar nicht gehört, dass man Sie gefunden hat, aber ich schaue mir auch nicht oft die Nachrichten an, seit William tot ist.«
»Ich habe es erst kürzlich erfahren. Möglicherweise würde es mir helfen, herauszufinden, was damals passiert ist, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stellen dürfte.«
»Das ist großartig!« Lorna schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre Haarnadeln herausfielen. »Genau wie bei diesen Sendungen wie Vermisst oder Bitte melde dich . Kommen Sie, setzen Sie sich.«
Sie führte Callie in ein kleines, voll gestopftes Wohnzimmer, in dem die gesamte Einrichtung bis hin zu den Lampen auf den Beistelltischen farblich aufeinander abgestimmt war. Lorna
setzte sich in einen geblümten Sessel und legte die Füße auf ein Fußbänkchen. Als Callie sich aufs Sofa setzte, sprang eine der Katzen auf ihren Schoß.
»Sie sind also Suzannes kleines Mädchen«, fuhr Lorna fort. »Na, das ist doch toll! Wenn ich es recht bedenke, sehen Sie ihr auch ähnlich. Sie hat beide Schwangerschaften gut durchgestanden«, fügte sie hinzu. »Eine starke, gesunde junge Frau. Es hat mir fast das Herz gebrochen zu sehen, wie elend sie war, nachdem sie ihre Tochter verloren hatte.«
»Sie haben mit Ihrem Mann in der Praxis gearbeitet.«
»Ja, zweiundzwanzig Jahre lang.«
»Können Sie sich erinnern, ob sich damals irgendjemand auffällig für Suzanne interessiert hat, als sie während der Schwangerschaft Patientin Ihres Mannes war?«
»Die Polizei hat damals schon all diese Fragen gestellt, aber ich konnte ihnen gar nichts sagen. William hat es fast das Herz gebrochen, als er hörte, dass das Baby entführt worden war.«
»Wer hat damals außer Ihnen in der Praxis gearbeitet?«
»Mein Mann hatte zwei Sprechstundenhilfen, eine saß am Empfang, und dann noch Hallie. Sie war zehn, nein, elf Jahre bei uns.«
»Was ist mit der anderen? Hieß sie nicht Karen Younger?«
»Sie ist damals aus der Stadt hierher gezogen. Sie arbeitete ungefähr sechs Jahre am Praxisempfang, dann wurde ihr Mann nach Texas versetzt. Sie schreibt mir jedes Jahr zu Weihnachten eine Karte. Sie war ein gutes Mädchen. William hat ihr zweites Kind, einen Jungen, auf die Welt geholt. Danach hat sie noch zwei Jahre für uns gearbeitet, bis sie weggezogen ist.«
»Wissen Sie, wo genau sie in Texas lebt?«
»Selbstverständlich. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, ich bin nicht senil. Sie wohnt in Houston. Mittlerweile hat sie zwei Enkelkinder.«
»Könnten Sie mir vielleicht die Adressen von ihr und Hallie geben? Ich möchte gerne Kontakt zu ihnen aufnehmen. Vielleicht erinnern sie sich ja an irgendetwas, was mir weiterhilft.«
»Ich wüsste nicht, woran die beiden sich nach dieser langen Zeit noch erinnern sollten. Irgendein Fremder hat Sie damals entführt, so etwas kommt leider vor. Die Menschen sind schlecht.«
»Im Krankenhaus gab es auch Leute, die Ihren Mann kannten und wussten, dass Suzanne ein Baby bekommen hatte. Pfleger, Krankenschwestern, andere Ärzte. Wissen Sie zufällig noch, welche Hebamme bei meiner Geburt geholfen hat?«
Lorna blies die Wangen auf. »Das könnte Mary Stern gewesen sein oder auch Nancy Ellis. Aber ganz sicher bin ich mir nicht.«
»Wohnen die beiden noch hier in der Gegend?«
»Soweit ich weiß, ja. Wissen Sie, man verliert die Leute ein wenig aus den Augen, wenn man verwitwet ist. Aber anstatt mit jedem Einzelnen zu reden, der damals im Krankenhaus gearbeitet hat, wenden Sie sich doch lieber an Betsy Poffenberger. Sie hat über vierzig Jahre da gearbeitet, und es gibt nichts, was sie nicht weiß oder gesehen hat. Sie hat ständig ihre Nase in anderer Leute Angelegenheiten gesteckt.«
»Wo finde ich sie?«
Betsy wohnte zwanzig Minuten entfernt in einer Siedlung, die Ronald Dolan gebaut hatte, wie Callie erfuhr.
»Lorna Blakely hat Sie geschickt?« Betsy war eine robuste Frau mit pechschwarzem Haar,
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