Die falsche Tochter - Roman
das kann ich nur auf meine Weise. Schritt für Schritt, Punkt für Punkt. Wie bei einem Ausgrabungsprojekt. Ich kann mir nicht nur die Oberfläche anschauen und mich damit zufrieden geben. Ich muss nachschauen, was darunter liegt.«
»Ich weiß.« Elliott zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und tupfte ihre Wangen ab. »Ich werde dir helfen. Ich werde alles tun, was ich kann, um dir zu helfen.«
»Ich weiß.« Sie nahm ihm das Taschentuch aus der Hand. »Und jetzt trockne deine Tränen«, murmelte sie und wischte ihm sanft über die Augen. »Sag Mom nicht, dass ich geweint habe.«
»Nein. Soll ich mit dir zu den Cullens gehen?«
»Nein. Aber danke für das Angebot.« Sie umfasste sein Gesicht mit den Händen. »Wir schaffen das schon, Dad. Es wird alles in Ordnung kommen.«
Jake beobachtete die beiden aus der Ferne. Er hatte es, genau wie Callie, in der Sekunde gewusst, als er Elliot gesehen hatte. Und als sie weinend in den Armen ihres Vaters zusammengebrochen war, hatte es ihm fast das Herz zerrissen. Jetzt sah er, wie Callie das Gesicht ihres Vaters umfasst hielt. Die beiden behandelten einander mit einer Zärtlichkeit, die Jake in seiner eigenen Familie nie erfahren hatte. Die Graystones waren nie in der Lage gewesen, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
Er dachte an seinen Vater, der stets eine stoische Ruhe ausstrahlte. Er hatte nie viele Worte gemacht, sein Leben lang hart gearbeitet und sich selten beklagt. Jake hatte nie daran gezweifelt, dass seine Eltern einander und ihre Kinder liebten, aber er konnte sich nicht erinnern, dass es ihm sein Vater jemals gesagt hätte. Er hielt es vermutlich für überflüssig, zeigte er doch seine Liebe dadurch, dass regelmäßig etwas zu essen auf dem Tisch stand, seine Kinder zur Schule gehen konnten und er ihnen gelegentlich über die Haare streichelte oder auf die Schulter klopfte. Jake fragte sich, ob er vielleicht deshalb
nie in der Lage gewesen war, Callie die Dinge zu sagen, die Frauen hören wollten. Dass sie wunderschön war. Dass er sie liebte. Dass sie für ihn der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt war.
Er konnte die Zeit nicht zurückdrehen und das ungeschehen machen, was zwischen ihnen vorgefallen war, aber dieses Mal würde er alles anders machen. Er würde für Callie da sein und diese Krise gemeinsam mit ihr durchstehen, ob sie ihn nun wollte oder nicht.
Jake beobachtete, wie Elliot die Wasserflaschen aufhob. Als er sich aufrichtete, schaute er zu Jake herüber. Ihre Blicke begegneten sich, und Elliot trat aus dem Schatten der Bäume und kam auf ihn zu. Jake ging ihm entgegen.
»Hallo Jacob. Wie geht es dir?«
»Danke, gut.«
»Ich wollte dir schon seit langem sagen, dass es Vivian und mir Leid getan hat, dass es zwischen Callie und dir nicht funktioniert hat.«
»Danke. Ich erzähle dir besser gleich, dass ich Bescheid weiß.«
»Callie hat dir alles anvertraut?«
»So könnte man es formulieren. Man könnte aber auch sagen, dass ich es aus ihr herausgepresst habe.«
»Du liebe Güte.« Elliot rieb sich den Nacken. »Es ist gut zu wissen, dass sie in dieser Zeit jemanden hat, bei dem sie sich anlehnen kann.«
»Sie will sich nicht anlehnen, das ist eines unserer Probleme. Aber ich bin so oder so für sie da.«
»Sag mir bitte, ob ich mir wegen des Mordes hier auf dem Gelände Sorgen machen muss.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand glaubt, dass Callie etwas mit dem Mord zu tun hat. Außerdem bleibe ich immer in ihrer Nähe.«
»Auch wenn ihr für diese Saison die Ausgrabung abschließt?« Jake nickte. »Ja, ich habe da schon ein paar Ideen.« Er blickte an Elliot vorbei zu Callie, die quer über das Feld auf sie zukam. »Ich habe eine ganze Menge Ideen.«
Obwohl Callie wusste, dass es feige war, bat sie Lana, bei Suzanne anzurufen und sie für den nächsten Tag in ihr Büro einzuladen. Callie hätte die Angelegenheit gerne noch ein wenig länger vor sich hergeschoben, aber Lana hatte keinen anderen Termin mehr frei. Jetzt saß Callie in ihrem Zimmer und versuchte, ihren Tagesbericht fertig zu stellen, konnte sich jedoch nicht konzentrieren. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, sich in ihr Auto zu setzen und ein wenig durch die Gegend zu fahren, verwarf ihn jedoch gleich wieder, weil sie gar nicht gewusst hätte, wohin sie fahren sollte. Ob sie sich wohl weniger eingesperrt vorkommen würde, wenn sie das Motelzimmer aufgeben und auf dem Feld campieren würde? Es war eine Überlegung wert, doch
Weitere Kostenlose Bücher