Die falsche Tochter - Roman
kurzfristig Spannung abgebaut. Warum waren sie beide nur bereit gewesen, sich damit zufrieden zu geben? Er hatte ihr doch eigentlich viel mehr geben wollen. Nicht nur ihr, sondern auch sich selbst. Aber vielleicht war mehr zwischen ihnen einfach nicht möglich. Diese Vorstellung brach ihm das Herz.
»Geht es dir jetzt besser?«, fragte er nach einer Weile und griff nach seinen Jeans.
Sie wandte den Kopf um und sah ihn mit einem wachsamen Blick an. »Dir nicht?«
»Doch, klar.« Er stand auf und zog die Hose an. »Wenn du das nächste Mal einen schnellen Fick brauchst, klopf nur an die Wand«, fuhr er fort. Bei diesen Worten huschte ein Schatten über ihr Gesicht, und sie wandte sich rasch ab.
»Was ist los? Habe ich deine Gefühle verletzt?« Er hörte selbst, wie grausam seine Worte klangen, doch es war ihm gleich. »Na komm, Dunbrook, wir brauchen uns das nicht schönzureden. Du hast die richtigen Knöpfe gedrückt und das gewünschte Ergebnis bekommen. Und niemandem ist Schaden entstanden.«
»Stimmt.« Callie wünschte plötzlich, er würde gehen. Nein, sie wünschte sich, er würde sie in die Arme nehmen und ganz fest halten. »Wir werden beide heute Nacht gut schlafen.«
»Ich habe sowieso keine Schlafprobleme, Babe. Bis morgen früh dann.«
Sie wartete, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte und in sein Zimmer gegangen war. Dann weinte sie zum zweiten Mal an diesem Tag.
Als Callie am nächsten Nachmittag Lanas Büro betrat, redete sie sich ein, dass sie völlig gefasst sei. Vor ihr lag nur ein weiterer notwendiger Schritt, den sie gehen musste.
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«, fragte Lana.
»Nein, danke.«
»Sie sehen ehrlich gesagt nicht besonders gut aus – so, als hätten sie seit einer Woche nicht mehr richtig geschlafen.«
»Ich hatte nur eine schlechte Nacht, mehr nicht.«
»Die Situation ist für alle Beteiligten nicht leicht, aber für Sie ist sie besonders schwierig.«
»Ich würde sagen, für die Cullens ist es schlimmer.«
»Das sehe ich anders.«
Callie blickte Lana wortlos an. Dann drückte sie sich die Fingerspitzen auf die Augenlider. »Danke. Danke dafür, dass Sie Anteil nehmen und sich nicht nur als Rechtsbeistand begreifen.«
Lana setzte sich an ihren Schreibtisch. »Der Detektiv hat unsere Vermutungen über Carlyle bestätigt. Jedes Mal, wenn er sich irgendwo neu als Anwalt niedergelassen hat, hat er weniger offizielle Anträge auf Adoption gestellt. Sein Einkommen und die Zahl seiner Mandanten sind jedoch ständig gestiegen. Wir können wohl mit Fug und Recht davon ausgehen, dass seine Haupteinnahmequelle der Babyhandel war. Wir konnten seine Spur nicht mehr aufnehmen, seit er aus Seattle weggezogen ist. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er noch einmal woanders eine Kanzlei eröffnet hat. Aber dafür haben wir etwas anderes gefunden.«
»Was?«
»Seinen Sohn, Richard Carlyle. Er lebt in Atlanta und ist ebenfalls Anwalt.«
»Na, wie praktisch.«
»Laut dem Bericht des Detektivs ist er sauber. Sein Ruf ist einwandfrei. Er ist achtundvierzig, verheiratet und hat zwei Kinder. Er hat in Harvard Examen gemacht und gehörte zu den besten fünf Prozent seines Jahrgangs. Danach hat er in einer renommierten Bostoner Kanzlei gearbeitet. Seine Frau hat er über gemeinsame Freunde in Atlanta kennen gelernt. Sie führten zwei Jahre lang eine Wochenendbeziehung. Als sie heirateten, zog er nach Atlanta und trat in eine andere Kanzlei ein. Mittlerweile hat er seine eigene.«
Lana legte die Aktenmappe beiseite und fuhr fort: »Er praktiziert schon seit sechzehn Jahren in Atlanta, hauptsächlich in Grundbesitzangelegenheiten. Nichts deutet darauf hin, dass er über seine Verhältnisse lebt. Als Sie entführt wurden, muss er neunzehn, zwanzig gewesen sein. Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass er irgendwie beteiligt war.«
»Aber er weiß bestimmt, wo sein Vater ist.«
»Der Detektiv kann ihn danach fragen, wenn Sie es möchten.«
»Ja, bitte.«
»Ich werde mich darum kümmern.«
In diesem Moment summte Lanas Sprechanlage.
»Das sind die Cullens«, sagte sie. »Sind Sie bereit?«
Callie nickte langsam.
»Wenn Sie zu irgendeinem Zeitpunkt möchten, dass ich das Sprechen übernehme, oder wenn Sie eine Pause einlegen möchten, brauchen Sie mir nur ein Zeichen zu geben.«
»Lassen Sie es uns so schnell wie möglich hinter uns bringen.«
13
Als die Cullens Lanas Büro betraten, wusste Callie nicht, wie sie sich verhalten sollte. Es war seltsam, die
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