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Die falsche Tochter - Roman

Die falsche Tochter - Roman

Titel: Die falsche Tochter - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Uhr. »Du bist wirklich ein Gewohnheitstier, Dunbrook.«
    »Na und?« Auf dem Küchentresen lag eine Tüte mit Schokoladenplätzchen von Suzanne’s Kitchen . Callie wandte sich vom Kühlschrank ab und griff danach.
    »Hey, die habe ich gekauft!«
    »Ich gebe dir das Geld wieder«, murmelte sie kauend.
    Sie schenkte sich ein Glas Orangensaft ein, und Jake sah zu, wie sie das erste Plätzchen damit herunterspülte.
    »Das ist eine ekelhafte Kombination. Warum trinkst du keine Milch?«
    »Ich trinke nie Milch.«
    »Dann solltest du es dir angewöhnen. Gib mir die Plätzchen.«
    Besitzergreifend schlang sie die Arme um die Tüte. »Ich kaufe neue.«
    »Gib mir ein Plätzchen!« Jake griff nach der Tüte und holte sich eins heraus. Dann nahm er die Milch aus dem Kühlschrank und schenkte sich ein kleines Glas ein.
    Er trug lediglich schwarze Boxershorts. Callie stellte wieder einmal fest, wie gut er gebaut war, langgliedrig und muskulös zugleich, mit ein paar interessanten Narben. Und sie wusste,
dass er am ganzen Körper gleichmäßig gebräunt war. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie der Versuchung nicht hätte widerstehen können, über ihn herzufallen. Dann hätten sie sich auf dem Küchentisch oder auf dem Fußboden geliebt, oder vielleicht hätten sie es sogar noch bis ins Bett geschafft. Callie griff nach der Tüte, aß noch ein Plätzchen und gratulierte sich im Stillen zu ihrer unglaublichen Selbstbeherrschung.
    »Komm mit, ich will dir etwas zeigen«, sagte Jake. »Nimm die Plätzchen mit.«
    Eigentlich wollte sie nicht mit ihm gehen. Schließlich war es bereits nach Mitternacht, er war fast nackt, und sein Duft brachte sie schier um den Verstand. Aber da sie auf ihre enorme Selbstbeherrschung baute, folgte sie ihm in sein behelfsmäßiges Büro.
    Als Schreibtisch diente ihm eine lange Sperrholzplatte, die auf zwei Böcken lag. Darüber hing eine große Pinnwand mit etlichen Fotos, Zeichnungen und Karten. Auf dem Schreibtisch lag eine Zeichnung, die Jake mit einer leeren Bierflasche und einem Quarzblock beschwert hatte.
    Es war eine mit Buntstiften gemalte Ansicht des Geländes am Antietam Creek. Es gab noch keine Straße und kein Farmhaus. Das Feld war breiter, und die Bäume am Bach spendeten Schatten. Jake hatte den Friedhofsbereich mit einer niedrigen Steinmauer darum gemalt. Im Westen standen einige Hütten, dahinter wuchs Sommerweizen auf dem Feld.
    Lebendig wurde die Zeichnung jedoch durch die Menschen. Männer, Frauen und Kinder gingen ihren täglichen Pflichten nach. Einige waren auf dem Weg zur Jagd, ein alter Mann saß vor einer Hütte, und vor ihm stand ein junges Mädchen, das ihm eine flache Schale hinhielt. Eine Frau säugte ihr Baby, Männer fertigten Werkzeuge und Waffen an. Eine Gruppe von Kindern saß auf dem Boden und spielte mit Steinchen und Stöcken. Einer, ein kleiner Junge von ungefähr acht Jahren, hatte den Kopf zurückgeworfen und lachte lauthals.
    »Nicht schlecht«, sagte Callie.
    Jake schwieg und nahm sich noch ein Plätzchen. »Okay, es
ist toll«, gab sie zu. »So etwas macht mir immer wieder klar, warum wir unsere Arbeit tun. Außerdem kann Leo das Bild gut gebrauchen, um es zusammen mit den Daten den Investoren vorzulegen. Ich wünschte, ich könnte so zeichnen wie du«, fuhr sie nach einer Weile fort.
    »Du zeichnest doch auch ganz gut.«
    »Schon, aber im Vergleich zu dir ist es jämmerlich.« Sie blickte auf.
    Als er seine Hand hob, um ihr über das Haar zu streicheln, wandte sie sich ab und trat auf die Terrasse hinaus. Die Bäume schimmerten silbrig im Mondlicht, und man konnte das Gurgeln des Baches und das Zirpen der Grillen hören. Die Luft war warm.
    Callie spürte, dass Jake hinter sie trat, und legte die Hände auf das Geländer. »Wenn ich ganz konzentriert auf einem Ausgrabungsfeld stehe, habe ich manchmal das Gefühl, ganz allein dort zu sein. Kennst du das Gefühl?«
    »Ja.«
    »Spürst du auch manchmal die Anwesenheit der Menschen, die wir ausgraben? Kannst du sie hören?«
    »Ja, natürlich.«
    Lachend warf sie den Kopf zurück. »Natürlich, sagst du! Ich fühle mich immer ganz privilegiert, wenn das vorkommt. Wie berauscht. Aber ich habe es noch nie jemandem erzählt, weil ich diesen Rausch nicht mag.«
    »Es ist dir immer schon schwer gefallen, dich gehen zu lassen.«
    »Ich muss so vielen Erwartungen entsprechen. Denen meiner Eltern, meiner Lehrer, denen meiner Kollegen. Und ganz gleich, wie sehr du gelobt wirst – als Frau ziehst du immer den

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